nd-aktuell.de / 25.07.2015 / Kultur / Seite 10

Anker, in die Luft geworfen

Hans-Dieter Schütt

Hübner erzeugt mit seinen Miniaturen eine Spannung des Lauerns darauf, welche Antworten sich wohl ergäben, wenn man neue Fragen an alte, festgeschraubte Worte und Wendungen stellt. Das Wortspiel als Klopfzeichen, das die Macht von Befangenheit und Erstarrungen in Sprache und Denken aufbricht. So entstehen Einübungen in den Reichtum des Staunens, der Verfremdungen und Gegenschnitte. Mosekund lehrt: Erfinde dich, wo dir von außen nur dürre Verhaltensformeln angeboten werden! Im Gesellschaftsgewässer heißt das: Steure gegen, pflege dein Untalent zum Manövrieren um beste Fährrinnen! Mosekund: ein Eulenspiegel , ein Schwejk, ein Typ wie von Marthaler auf die Bühne des Lebens gestellt; ein tief Verständiger für jenes Defizit an Gesellschaftsfähigkeit, das unbedingt sein muss, wenn man Mensch bleiben will, wenn man also dem Hauptdruck nicht nachgeben mag: der Welt fortwährend entsprechen zu sollen. Dies Defizit-Bekenntnis ist der wahre Reichtum: behindert zu bleiben, wo alle zur Bestform auflaufen müssen. Mosekunds Da-Sein feiert sich vor allem im Wissen um den Verfall jener irrtümlichen Hoffnung, wir bestünden vorzugsweise aus zukunftsfähigem Stoff. Nein, bestehen wir nicht! Aber: Just da, wo uns alles durch die Finger rinnt, just da krallt doch der Eigensinn wie ein Anker. Ein Anker, in die Luft geworfen, als sei dies ein fester Grund. Schiffe. Bäumt sich ihr Bug nicht auf, wenn sie untergehen? Na also.

Hans-Dieter Schütt

Aus dem Vorwort zum Band »Mosekunds Merkzeugkasten«.