nd-aktuell.de / 28.07.2015 / Politik / Seite 10

Für ein Leben in Freiheit

Sahrauische Frauen kämpfen für die Rechte ihres Volkes

Karlos Zurutuza, Laayoun
Seit dem Rückzug Spaniens vor 40 Jahren aus der Westsahara hält Marokko fast das ganze Gebiet der ehemaligen Kolonie besetzt. Das »Forum für die Zukunft der Sahraui-Frauen« findet sich damit nicht ab.

Zehn Frauen sitzen zusammen und diskutieren darüber, wie sie Kultur und Traditionen der Sahrauis den jüngeren Generationen vermitteln können. Das Treffen findet, wie sonst auch, im Geheimen statt. In Laayoune, der Hauptstadt des größtenteils von Marokko kontrollierten Territoriums Westsahara haben sie kaum eine andere Wahl.

Rabab Lamin hat den Ort und Termin für das jüngste Treffen der Untergrundorganisation »Forum für die Zukunft der Sahraui-Frauen« festgelegt. Wie sie berichtet, existiert das Komitee seit 2009. »Heute verfügen wir über 60 aktive Mitglieder, ein 16-köpfiges Exekutivkomitee und Hunderte Mitarbeiterinnen«, erklärt die Mutter eines politischen Gefangenen. »Unser Ziel ist es, mit friedlichen Mitteln für die Grundrechte unseres Volkes zu kämpfen.« Die 54-Jährige merkt an, dass sie geboren wurde, »als die Spanier noch hier waren«.

Vor genau 40 Jahren hatte sich Spanien aus seiner letzten Kolonie Westsahara an der nordwestafrikanischen Atlantikküste zurückgezogen und Marokko und Mauretanien das Feld überlassen. Die marokkanische Regierung in Rabat betrachtet das Gebiet von der Größe Großbritanniens als seine südlichste Provinz. Die Vereinten Nationen sprechen dagegen von einem »Territorium, in dem der Prozess der Dekolonisierung noch nicht abgeschlossen ist«.

Seit dem 1991 geschlossenen Waffenstillstand zwischen Marokko und der Polisario-Front, die von den Vereinten Nationen als legitime Vertretung der Sahraui anerkannt wird, übt Rabat die Kontrolle über den größten Teil des Gebietes einschließlich der gesamten Atlantikküste aus. Lediglich in einem schmalen Streifen jenseits der von Marokko gezogenen Mauer können die Sahraui über sich selbst bestimmen. Die 1976 von der Polisario ausgerufene Demokratische Arabische Republik Sahara wird inzwischen von 82 Staaten anerkannt.

Die unmittelbarste Auswirkung des »eingefrorenen« Konflikts in der Sahara war die Vertreibung fast aller Sahraui. Sie flohen in die algerische Wüste. Diejenigen, die in der Heimat blieben, leiden noch heute unter den Folgen ihrer Entscheidung.

»Seit die Marokkaner unser Land in Besitz nahmen, haben wir nur Brutalität erfahren«, berichtet Aza Amidan, die Schwester eines politischen Häftlings. »Wir werden ständig schikaniert und misshandelt. Sie dringen in unsere Häuser ein und verhaften unsere Männer und Frauen, ja sogar Kinder unter 15 Jahren.«

Es gebe kaum einen Sahraui, der keine Gewalt von Seiten der Polizei erfahren habe, kaum eine Familie, die nicht einen Angehörigen verloren habe, erzählt die 34-jährige Aktivistin und weist darauf hin, dass die Gründerin und derzeitige Vorsitzende des Forums, Zukeine Ijdelu, zwölf Jahre im Gefängnis zubrachte.

Die Aktivistinnen sehen ihre Hauptaufgabe darin, Frauen und deren Angehörigen, die im Gefängnis sitzen, moralisch und finanziell zu helfen. »Wir sammeln Geld für die Frauen, weil sie besonders leiden. Es spielt keine Rolle, ob sie oder ihre Männer im Gefängnis sitzen. Ohne die Männer müssen sie ihre Familien durchbringen.«

In einem vor zwei Monaten veröffentlichten Bericht beschuldigt Amnesty International Marokko der endemischen Anwendung von Folter. Politische Dissidenten vom Volk der Sahraui gehörten zu den häufigsten Opfern.

Mit Folter könne man irgendwie fertigwerden, meint Fatima Hamimid, mit 62 Jahren eine der ältesten Aktivistinnen des Forums. Schwerer wiege die systematische Unterdrückung der eigenen Kultur. »Der marokkanischen Regierung geht es darum, uns um unser Existenzrecht zu bringen, indem sie unsere Geschichte ihrer eigenen Geschichte zuzuschlagen versucht.«

Tatsache ist, dass Hassaniya, der von den Sahraui gesprochene arabische Dialekt, aus dem Bildungssystem und der öffentlichen Verwaltung verschwunden ist. Seine traditionellen Zelte dürfe das Volk ebenfalls nicht mehr verwenden, so Hamimid. Frauen würden oft wegen ihrer farbenfrohen Tracht schikaniert. Ihnen sei auch verboten, ihre Kindern Namen von Sahraui-Dissidenten zu geben. »Auch aus diesen Gründen gehen wir auf der Straße demonstrieren.« IPS/nd