Notenschutz und gleiche Chancen

Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschied über Legasthenievermerk in Zeugnissen

  • Lesedauer: 2 Min.
Der Hinweis auf die Legasthenie eines Schülers hat im Zeugnis nichts zu suchen. Wenn aber eine Rechtschreibleistung nicht bewertet wird, darf das vermerkt werden, entschied das BVG in Leipzig.

Leipzig. Wird einem Legastheniker beim Abitur die Möglichkeit eingeräumt, dass seine Rechtschreibleistungen nicht bewertet werden, dann darf dies im Abitur-Zeugnis vermerkt werden. Das hat am Mittwoch das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden und damit ein Urteil des Verwaltungsgerichts München bestätigt.

Das bayerische Kultusministerium begrüßte die Entscheidung. »Sie stellt einen nachvollziehbaren Ausgleich zwischen der Gewährung von Notenschutz bei Legasthenikern und der Chancengleichheit für alle anderen Schüler her«, teilte das Ministerium mit.

Den Leipziger Richtern lagen die Klagen von drei Abiturienten aus Bayern vor. Auf ihren Zeugnissen war vermerkt worden, dass wegen einer »fachärztlich festgestellten Legasthenie« die Rechtschreibleistung der Betroffenen nicht gewertet worden sei. Durch diesen Eintrag fühlten sich die Kläger diskriminiert. Schon das Münchner Verwaltungsgericht hatte festgestellt, dass der Hinweis auf die Legasthenie nicht hätte eingetragen werden dürfen. Den Vermerk zur nicht bewerteten Rechtschreibung hatten die Münchner hingegen toleriert. Der Vorsitzende Richter des Leipziger Senats, Werner Neumann, sagte in der Begründung des Urteils, die klagenden Schüler hätten sich für den sogenannten Notenschutz entschieden. Dadurch würden die allgemein geltenden Bewertungsmaßstäbe für sie außer Kraft gesetzt. Dies stelle jedoch eine Ungleichbehandlung zum Beispiel mit anderen Legasthenikern dar, die auf den Notenschutz verzichteten und eine schlechtere Beurteilung riskierten und in Kauf nähmen. Deshalb sei es statthaft, die Nichtbeurteilung der Rechtschreibung zu vermerken.

Grundvoraussetzung ist nach Ansicht der Richter jedoch, dass es für solche Vermerke eine gesetzliche Grundlage im Schulgesetz gibt. Ein ministerieller Erlass alleine reiche nicht aus, entschieden die Richter des Bundesverwaltungsgerichts. (Aktenzeichen: BVerwG 6 C 33.14 und 6 C 35.14)

Das Kultusministerium in München kündigte an, ein entsprechendes Gesetzgebungsverfahren einzuleiten und eine abschließende Entscheidung des Landtags herbeizuführen. Damit solle eine Rechtsgrundlage für den geänderten Bewertungsmaßstab und die entsprechende Zeugnisbemerkung bei Legasthenikern geschaffen werden.

Das Urteil ist auch für weitere Bundesländer von Bedeutung, die wie Bayern die Benotungen in solchen Fällen nicht in Gesetzen, sondern per Verordnung oder Erlass geregelt haben. Agenturen/nd

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