Erdogan nimmt Kurden ins Visier

Türkischer Präsident geht militärisch und juristisch gegen PKK und HDP vor

  • Jan Keetman
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Woche war in der Türkei durch eine wachsende Spannung in der Kurdenfrage gekennzeichnet, während es um den Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) immer ruhiger wurde.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan führt einen Mehrfrontenkrieg, doch der Hauptgegner ist klar: die Kurden. Schon der erste Luftangriff nach dem Anschlag von Suruc am 20. Juli wurde mit drei Flugzeugen gegen den Islamischen Staat direkt an der Grenze geflogen und mit 75 Jets bis tief nach Irak hinein gegen die kurdische Arbeiterpartei PKK. Trotz dieser relativen Zurückhaltung an der syrischen Grenze gelang es der türkischen Luftwaffe, »versehentlich« auch eine Stellung der kurdischen YPG in Syrien zu treffen. Die Meldungen der folgenden Tage verstärkten den Eindruck, dass fast ausschließlich die PKK bekämpft wird.

Im Windschatten der Bombardements und der Gegenschläge der PKK hat Erdogan vor allem die politische Front eröffnet. Er hat die Führer der prokurdischen Partei der Demokratie der Völker (HDP) von der Fortsetzung des Friedensprozesses ausgeschlossen, weil sie die »nationale Einheit« und »Brüderlichkeit« infrage stellen würden. Außerdem warf er ihnen vor, ihren Wahlerfolg am 7. Juni durch die Bedrohung der Wähler erreicht zu haben und schließlich folgte die Aufforderung, ihre parlamentarische Immunität aufzuheben.

Es dauerte keine zwei Tage, bis sich ein Staatsanwalt fand, der eine Untersuchung gegen Selahattin Demirtas, Vorsitzender der HDP, wegen Aufhetzung gegen einen Teil der Bevölkerung einleitete. Ihm drohen bis zu 24 Jahre Haft. Am Tag darauf eröffnete die Staatsanwaltschaft auch ein Verfahren gegen die Ko-Vorsitzende der HDP, Fügen Yüksekdag.

Nach Demirtas besteht das Verbrechen der HDP darin, bei den Wahlen 13 Prozent bekommen zu haben. Der Außenpolitikexperte Cengiz Candar schrieb in seiner Kolumne, eigentlich sei ja die HDP nicht die verantwortliche Seite des Terrors, sondern das Opfer von Terroranschlägen sowohl während des Wahlkampfes als auch danach gewesen. Da aber der allergrößte Teil der türkischen Medien ohne Wenn und Aber hinter Erdogan steht, erreichen solche Stimmen Erdogans Wähler nicht.

Auf der politischen Bühne wird die HDP von der sozialdemokratischen Republikanischen Volkspartei (CHP) unterstützt. Aus Solidarität mit der HDP haben der Vorsitzende der CHP, Kemal Kilicdaroglu, und einige andere Politiker der CHP demonstrativ die Aufhebung ihrer Immunität gefordert.

Dagegen unterstützt die ultranationalistische MHP im Parlament den antikurdischen Kurs Erdogans. Die Regierung Davutoglu hat erklärt, sie wolle mit der MHP weiter über eine Koalition verhandeln. Hauptknackpunkt ist, dass auch der Führer der MHP, Devlet Bahceli, weiter auf der Aufklärung von Korruptionsvorwürfen etwa gegen Erdogans Sohn Bilal besteht. Allerdings hat sich Erdogan im Gespräch mit Journalisten dahin gehend geäußert, dass er Neuwahlen vorziehen würde. Die Entscheidung darüber könnte am 28. August fallen, wenn bis dahin keine Koalitionsregierung steht.

Auf die dauernden Bombenangriffe hat die PKK mit Anschlägen im Inland geantwortet, die sich hauptsächlich gegen Militär und Polizei richteten. Nach Angaben des Vizepremiers Bülent Arinc wurden seit Beginn der »Antiterroroperation« 136 Personen wegen Verdachts der Zusammenarbeit mit dem IS festgenommen gegenüber nahezu 900 anderen. Betroffen waren auch Funktionäre der Lehrergewerkschaft Egitim-Sen.

Am Donnerstag wurde bekannt, dass die USA den Stützpunkt Incirlik nun benutzen können. Bisher hatte Ankara das untersagt.

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