Nobelpreis verdächtig

Während Michel Platini die Kandidatur als FIFA-Chef ankündigt, hat der Verband seine goldenen Zeiten hinter sich

  • Stephan Fischer
  • Lesedauer: 4 Min.
Lange hat Michel Platini gezögert, jetzt will er doch FIFA-Präsident werden. Der Verband selbst ist dabei reif fürs Museum - und »fast eine Beleidigung für die Mafia«.

Der Friedensnobelpreis hat in den letzten Jahren einige Kratzer bekommen. So wurde die Europäische Union 2012 »für über sechs Jahrzehnte, die zur Entwicklung von Frieden und Versöhnung, Demokratie und Menschenrechten in Europa beitrugen«, mit ihm ausgezeichnet - was die Union nicht daran hinderte, sich zunehmend mit kriegerischen Mitteln an den Außengrenzen abzuschotten. Und wer hoffte, dass mit US-Präsident Obama, der ihn 2009 erhielt, tatsächlich zukünftig die Diplomatie das Primat der US-amerikanischen Außenpolitik bestimmen würde, sah sich auch durch die massive Ausweitung der Drohnenangriffe eines Schlechteren belehrt. Gegen jene USA richtet sich der jüngste Vorschlag des russischen Präsidenten Wladimir Putin: Niemand hätte den Friedensnobelpreis mehr verdient als sein Freund und Noch-FIFA-Präsident Sepp Blatter: »Menschen wie Blatter oder Leiter anderer internationaler Sportorganisationen sollten besondere Anerkennung erfahren. Wenn es jemanden gibt, der den Nobelpreis verdient, sind es diese Leute«, so Putin Anfang dieser Woche gegenüber dem Schweizer Fernsehsender SRF. Den Vorwürfen, Blatter sei in die korrupten Machenschaften des Fußballweltverbandes verstrickt, schenke er keinen Glauben, so Putin. Mit seiner Empfehlung geht es dem Präsidenten des Gastgeberlandes der nächsten Fußball-Weltmeisterschaft 2018 allerdings nicht so sehr darum, das friedensstiftende Werk des Schweizers oder seiner Organisation zu preisen. Es ist politisches Kalkül: Er sieht hinter den Ermittlungen der US-Justiz gegen die FIFA einen Angriff auch auf Russland: »Was wie ein Kampf gegen Korruption aussieht, zwingt mich, darüber nachzudenken, ob es nicht eine Fortsetzung des Kampfes um die Weltmeisterschaften 2018 und 2022 ist.« Putin wirft den USA vor, im Zuge der Ermittlungen gegen die FIFA die US-Gesetzgebung willkürlich auf andere Länder auszudehnen - etwa auf die Schweiz.

Die dort in Zürich ansässige FIFA durchlebt derzeit den schwersten Skandal ihrer Geschichte. Reihenweise wurden frühere oder hochrangige Funktionäre festgenommen. An Blatter selbst ist der Skandal jedoch bisher abgeperlt - wohl auch, weil er sofort nach seiner Wiederwahl zum FIFA-Präsidenten Anfang Juni seinen Rücktritt ankündigte. Dass der 79-Jährige den Zeitpunkt seiner Demission offen ließ, ging darüber fast unter, nach der letzten Sitzung des FIFA-Exekutivkomitees am 20. Juli war aber klar, dass er bis Februar 2016 an der Spitze des Weltverbandes bleiben würde. Der bislang aussichtsreichste Kandidat für die Nachfolge Blatters zögerte lange, bis er seine Kandidatur bekannt gab. Am Mittwoch warf UEFA-Präsident Michel Platini (60) seinen Hut in den Ring: »Es gibt Zeiten im Leben, in denen du dein Schicksal in die eigenen Hände nehmen musst. Dies ist eine sehr persönliche, sorgfältig getroffene Entscheidung, in der ich die Zukunft des Fußballs gegen meine eigene Zukunft abgewogen habe«, so der Präsident des europäischen Fußballverbandes. Platinis Zögern ist verständlich: Die goldenen Zeiten des Weltverbandes scheinen vorbei zu sein - der Geldregen kommt heute von Komikern wie Simon Brodkin, der bei seinem weltweit beachteten Geldscheinwurf auf Blatter am 20. Juli echte Geldscheine benutzte. 600 US-Dollar aus eigener Tasche hat er dafür regnen lassen: »Das gehört dazu. Wenn du es machst, musst du es richtig machen«, sagte der Brite zu der Aktion, die ihm ein paar Stunden in einer Schweizer Zelle und eine Strafanzeige des Fußball-Weltverbandes einbrachte. Das Geld erhielt er von der Polizei zurück - die FIFA ist auch vielmehr auf die Sponsorengelder angewiesen. Einige große distanzieren sich nun schrittweise, vor allem die mit Hauptsitz in den USA - sie wollen nicht Gefahr laufen, wegen Beihilfe zu Verbrechen belangt zu werden. Dort gehen die Ermittlungen gegen den Weltverband weiter, welches Image die FIFA hat, wurde in einer Anhörung des US-Senats Mitte Juli zum Korruptionsskandal deutlich: Connecticuts demokratischer Senator Richard Blumenthal bezeichnete die FIFA dort »als mafiaähnliches Syndikat. Mich lässt alleine etwas zögern, dass ein Vergleich der FIFA mit der Mafia fast eine Beleidigung für die Mafia wäre, denn die Mafia würde ihre korrupten Geschäfte niemals in einer solch himmelschreiend unverdeckten und arroganten Weise abwickeln.«

Lange bevor ein Ende des Korruptionsskandals überhaupt abzusehen ist, hat er mit dem Geldregen auf Blatter bereits sein ikonisches Bild und auch schon einen Platz im Museum. Unter dem Titel »The ›Beautiful Game‹ Turns Ugly« (zu Deutsch etwa: Das »schöne Spiel« wird hässlich) zeigt ein Museum in Las Vegas ab September eine Ausstellung mit Fotos, Videos und Geschichten rund um die Bestechungsvorwürfe. Damit will man in der Glücksspielstadt in Nevada Touristen mit einem bestimmten Interesse locken. Das Mob Museum präsentiert vor allem Exponate zur organisierten Kriminalität.

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