nd-aktuell.de / 05.08.2015 / Politik / Seite 12

Ein Raus- und ein Handtuchwurf

Rektorenabschiede in Leipzig und Chemnitz befeuern Debatte um Sachsens Hochschulpolitik

Hendrik Lasch, Dresden
Zwei Personalien an sächsischen Universitäten sorgen wieder einmal für erregte Debatten um die Hochschulpolitik im Freistaat. Im Fall der Leipziger Rektorin Schücking ist von Abstrafung die Rede.

Es war ein drastisches Sprachbild, das Beate Schücking Anfang 2014 prägte. Die drei Jahre zuvor zur Rektorin der Universität Leipzig gewählte Medizinprofessorin sollte die Institute für Theaterwissenschaft und Archäologie schließen, um Sparvorgaben des Landes umzusetzen. Sie fühlte sich als Chirurgin wider Willen. Den Speck, den man ohne Schaden wegschneiden könne, habe man entfernt, sagte Schücking damals. Nun allerdings sei man schon gezwungen, »ganze Muskelgruppen« zu amputieren.

Anderthalb Jahre später scheint die Rektorin den Preis für derlei öffentliche Unbotmäßigkeit zahlen zu müssen. In Leipzig steht die Neuwahl des obersten Repräsentanten der Uni an; Schücking strebte eine zweite Amtsperiode an - die ihr aber wohl nicht gewährt wird. Im Hochschulrat, einem Gremium, dem eine Vorauswahl der Bewerber obliegt, fiel sie durch; statt dessen seien dem mit der eigentlichen Wahl betrauten Senat zwei externe Bewerber vorgeschlagen worden, sagte Schücking in einem Interview mit der »Zeit«. Das lasse » Raum für Spekulationen«, ergänzte sie.

Schon diese Personalie führte zu regen Diskussionen darüber, wie weit es mit der »Hochschulfreiheit« her ist, die ein 2012 von der damaligen Koalition aus CDU und FDP beschlossenes Gesetz im Titel trägt. Darin wurden auch Festlegungen zu den Hochschulräten getroffen, die als eine Art Aufsichtsräte der Universitäten fungieren - und denen mehrheitlich vom Ministerium benannte Vertreter angehören, die nicht der Universität entstammen. In Leipzig sind das fünf der neun Mitglieder. Studentenvertreter sprechen von »Hinterzimmerpolitik« und kritisieren den Rat als »Schattengremium« mit, wie sich jetzt zeigt, erheblichem Einfluss: Im Erweiterten Senat als eigentlichem Wahlgremium der Universität kann nur zum Rektor gewählt werden, wen der Hochschulrat zuvor passieren ließ. Dieser solle nun »Spekulationen entkräften«, man habe Schücking wegen Aufmüpfigkeit ausgesiebt, sagte Henrik Hofmann vom Leipziger Studentenrat. Habe man sie tatsächlich abstrafen wollen, »wäre das ein Skandal«.

Ins Grundsätzlichere drehte sich die Debatte, weil kurz nach der Nachricht aus Leipzig eine Hiobsbotschaft aus Chemnitz folgte. Arnold van Zyl, der Rektor der dortigen Technischen Universität, sucht ein Jahr vor Ende seiner Amtszeit aus freien Stücken das Weite. Er stellt sich der Wahl als Präsident der Dualen Hochschule Baden-Württemberg - und nennt als Grund unter anderem, dass er in Chemnitz kaum noch Möglichkeiten zur Gestaltung habe. Verwiesen wird auf Vorgabe des Landes, wonach die Zahl der Studenten mittelfristig von 11 600 auf 9400 zu sinken hat.

Damit flammt der jahrelange Streit um Kürzungen an Sachsens Hochschulen erneut auf. Das Land hatte in der vorigen Legislaturperiode die Universitäten zu Stellenabbau und Schließung von Studiengängen genötigt - als Voraussetzung für Finanzierungsvereinbarungen. Allein in Leipzig sollten ursprünglich 300 Stellen wegfallen; Proteste hatten zur Folge, dass es am Ende weniger waren. Nach Angaben der »Konferenz Sächsischer Studierendenschaften« (KSS) fielen landesweit 288 Stellen weg. Zudem zahle der Freistaat den Hochschulen beharrlich weniger als den bundesweiten Durchschnitt von 6830 Euro je Student.

Die zuständige Ministerin weist die Kritik aus Chemnitz zurück. Die Gestaltungsspielräume der Hochschulen hätten sich seit dem Regierungswechsel 2014 von Schwarz-Gelb zu Schwarz-Rot »stark verbessert«, sagt die SPD-Ressortchefin Eva-Maria Stange. Erstmals seit 1990 sei die Hochschulplanung »nicht mit Stellenabbau verbunden«, so Stange; bis 2025 habe man 754 geplante Stellenstreichungen revidiert. Es gebe also »keinen Grund, das Amt des Rektors aufzugeben«. Tatsächlich sprechen auch Studentenvertreter von Nachwirkungen schwarz-gelber Hochschulpolitik. Allerdings gelten die von der längst abgewählten Koalition ausgehandelten Zielvereinbarungen noch bis Ende 2016, sagt KSS-Sprecher Paul Hösler. Und auch danach brechen nach Ansicht der Studenten keine paradiesischen Zeiten an. Zwar gebe es ab 2017 einen Kürzungsstopp. Das sei aber nur der »ernüchternde Erhalt des Status Quo«, sagt Hösler. Die Regierungsbeteiligung der SPD, meint der Chemnitzer Studentenrat, habe »fast nichts geändert«.

Auch Landespolitiker sind angesichts der Personalien alarmiert. Die Grüne Claudia Maicher sprach von einem »wenig schmeichelhaften Zeugnis« für das Land. Annekatrin Klepsch, Hochschulexpertin der LINKEN, sieht Nachbesserungsbedarf im Gesetz. Es gebe ein »erhebliches Machtungleichgewicht« zwischen Landespolitik und Hochschulen, sagte sie vor dem Hintergrund laufender Verhandlungen über neue Zielvereinbarungen: »Mit der viel beschworenen Autonomie der Hochschulen ist es offensichtlich nicht weit her.«