nd-aktuell.de / 10.08.2015 / Politik

Eurokrise: Deutschland ist der große Gewinner

Aber auch Kritik an der IWH-Studie / Liste mit Sofort-Auflagen für griechische Regierung in Arbeit / Einigung in Athen schon am Dienstag? Parlament in Athen könnte schon Mittwoch abstimmen

Update 17.10 Uhr: Steuervorteile für Minister und Abgeordnete sollen fallen
Der griechische Regierungschef Alexis Tsipras will Steuervorteile für Minister und Abgeordnete kappen. Während über die Subventionen für Landwirte verhandelt werde, »können wir in Bezug auf unsere eigenen Vorteile nicht die Unbeteiligten spielen«, sagte Tsipras am Montag nach einem Treffen mit stellvertretenden Ministern für Verwaltung und Finanzen. Dabei gehe es nicht rein um den Einsparungseffekt, sondern die Entscheidung habe auch »symbolische Bedeutung«. Laut der Nachrichtenagentur ANA ist ein Gesetz in Arbeit, das unter anderem die gesamte Besteuerung der Diäten vorsieht. Bislang werden nur 75 Prozent besteuert.

Update 16.55 Uhr: SPD-Mann Kahrs: Notfalls Einigung erst im Oktober
Der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Johannes Kahrs, hat sich dagegen ausgesprochen, ein drittes Griechenland-Kreditpaket unter Zeitdruck zu vereinbaren und so, wie es die Nachrichtenagentur dpa schreibt, »zu verwässern«. Um den Umfang geht es dabei nicht, sondern um die umstrittenen Auflagen der Gläubiger. Das Ziel, bis zum 20. August ein neues Programm zu haben, dürfe nicht dazu führen, dass »ungare Lösungen« ein gutes Ergebnis gefährdeten, wird Kahrs zitiert. »Wenn es bis September oder Oktober dauern sollte, ein Ergebnis zu produzieren, das alle Probleme verlässlich löst, müssen wir uns diese Zeit nehmen.«. Das sei man angesichts der immensen finanziellen Summen der deutschen und der griechischen Bevölkerung schuldig. Kahrs betonte, sollte eine Einigung erst nach dem 20. August möglich sein, »werden wir andere Wege finden, um in der Zwischenzeit die notwendige Finanzierung Griechenlands zu sichern«. Bis zum 20. August muss Griechenland neue Kredite bekommen, um 3,2 Milliarden Euro alte Schulden an die Europäische Zentralbank zurückzahlen zu können. Ähnlich äußerte sich ein Sprecher der Bundesregierung: »Warten wir ab, wie die Verhandlungen weiter laufen«, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Eine Einigung müsse zuverlässige Grundlage für das auf drei Jahre angelegte neue Programm sein. »Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit.«

Update 16.20 Uhr: Kritik an IWH-Studie
Die Studie des Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle, derzufolge die Staatskasse der Bundesrepublik wegen der in Folge der Krise gesunkenen Zinslasten rund 100 Milliarden Euro eingespart habe, ist bei anderen Ökonomen auf Kritik gestoßen. In der »Frankfurter Allgemeinen« sagte[1] der Finanzwissenschaftler Lars Feld, der zu den so genannten Wirtschaftsweisen gehört, »nicht Deutschland profitiert von den Niedrigzinsen, sondern die verschuldeten öffentlichen Körperschaften, also Bund, Länder und Kommunen«. Die Sparer seien dagegen »deutlich mehr geschädigt, das muss man gegenrechnen«. Clemens Fuest, der Mitglied des Wissenschaftlichen Beirates beim Bundesfinanzministerium ist, gab in der Zeitung zu bedenken: »Wenn die Staatsanleihen von Inländern gehalten werden, dann ist der Zinsrückgang kein Gewinn für Deutschland, sondern lediglich eine Umverteilung von den Bürgern zum Staat.«

Update 14 Uhr: Eurogruppe trifft sich wohl am Freitag
Die Finanzminister der Euro-Staaten könnten bereits Ende der Woche zusammenkommen, um den Weg für ein neues Kreditpaket für Griechenland zu bereiten. Ein Treffen der Eurogruppe am Freitag gilt als wahrscheinlich, wie die Deutsche Presse-Agentur am Montag erfuhr. In Brüssel hieß es am Mittag, eine Einigung werde in den nächsten 24 bis 36 Stunden erwartet.

Update 12 Uhr: Eurokrise: Deutschland ist der große Gewinner
Die Staatskasse der Bundesrepublik ist laut einer Studie des Instituts für Wirtschaftsforschung (IWH) in Halle ein großer Gewinner der Krise in Griechenland. Von 2010 bis heute habe die Bundesrepublik wegen der in Folge der Krise gesunkenen Zinslasten rund 100 Milliarden Euro eingespart, heißt es in einer am Montag veröffentlichten Studie[2]. Die »Einsparungen übertreffen selbst die potenziellen Kosten, die auf Deutschland zukämen, wenn Griechenland seine Schulden überhaupt nicht zurückbezahlt«. Schätzungen zufolge sei der deutsche Anteil an den Kreditpaketen für Griechenland auf insgesamt rund 90 Milliarden Euro zu beziffern. Das dritte Programm, über das derzeit noch verhandelt wird, ist dabei eingerechnet. »Selbst wenn Griechenland keinen Cent zurückbezahlt, hätte die deutsche öffentliche Hand also finanziell von der Krise profitiert«, so das Leibniz-Institut. Der ausgeglichene Haushalt in Deutschland sei »zu einem großen Teil auf Zinseinsparungen aufgrund der Schuldenkrise« zurückzuführen. »Deutschland hat also in jedem Fall von der Griechenlandkrise profitiert.«

Update 9.50 Uhr: Einigung könnte »spätestens Dienstagfrüh« stehen
Die Gespräche der griechischen Regierung mit den Gläubigern haben bis in die frühen Morgenstunden angedauert und stehen womöglich kurz vor dem Abschluss. Das Dokument mit den Grundrissen der Auflagen, die Athen im Gegenzug für Milliardenkredite umsetzen soll, sei bereits »fast fertig«, hieß es am Montag aus Regierungskreisen. Finanzminister Efklidis Tsakalotos habe fast die ganze Nacht über mit Experten der Gläubiger verhandelt – und den Tagungsort erst gegen 03.30 Uhr verlassen. Seine Mitarbeiter sagten Reportern, die Gespräche sollten am Vormittag wiederaufgenommen werden. Das griechische Fernsehen berichtete, es könnte spätestens Dienstagfrüh einen Abschluss geben. Thema seien noch unter anderem die genaue Struktur des geplanten Privatisierungsfonds, in den Griechenland Staatsvermögen übertragen und verkaufen soll, wobei aus den Erlösen vor allem Schulden bezahlt werden müssen. Zudem fordern die Gläubiger weiterhin die Abschaffung von Steuerbegünstigungen für Landwirte und Änderungen im Streikrecht.

Weiter Kritik von Linker Plattform in SYRIZA: Setzt Tsipras Neuwahlen an?

Berlin. In den Verhandlungen zwischen der griechischen Regierung und den Gläubigern über die Auflagen für ein drittes Kreditprogramm könnte es laut EU-Kreisen bereits am Dienstag eine Einigung geben. Derzeit werde an einer Liste über die Maßnahmen gearbeitet, die die SYRIZA-geführte Regierung als erstes ergreifen müsse, hieß es am Sonntagabend aus Verhandlungskreisen in Athen. Die Gespräche kämen gut voran und eine Einigung in der ersten Wochenhälfte sei möglich.

Die Gläubiger hatten sich in den vergangenen Tagen untereinander auf einen 27-seitigen Entwurf eines Memorandum of Understanding geeinigt, in dem die von der Regierung in Athen verlangten Gegenleistungen fixiert seien. Diese müsse aber noch mit der griechischen Regierung abgestimmt werden.

Die SYRIZA-nahe Zeitung »Avgi« schrieb am Sonntag: »Alle Zeichen deuten auf eine Einigung - möglicherweise sogar schon heute.« Das war offenbar noch etwas zu verfrüht. Aber auch der griechische Wirtschaftsminister Giorgos Stathakis sagte, beide Seiten näherten sich »der Zielgeraden.« Am Sonntag saßen er und sein für Finanzen zuständiger Kollege Euklid Tsakalotos erneut den Unterhändlern von Europäischer Zentralbank (EZB), Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischem Stabilitätsmechanismus (ESM) gegenüber.

Ein EU-Diplomat bezeichnete eine Einigung in den kommenden Tagen als ein »ehrgeiziges, aber machbares Ziel«. »Wir wollen eine Einigung bis Dienstag und alle Seiten arbeiten an diesem Ziel«, hieß es. Sollte der Termin gehalten werden, könnte das griechische Parlament am Mittwoch oder Donnerstag darüber abstimmen. Am Freitag könnten dann die Euro-Finanzminister offiziell grünes Licht geben.

Die Differenzen innerhalb von SYRIZA sind damit aber keineswegs überwunden. Es ist damit zur rechnen, dass bei einer Abstimmung im Parlament eine größere Zahl von Abgeordneten der Linkspartei gegen eine Einigung mit den Gläubigern votieren wird - diese verstoße gegen das Wahlprogramm von SYRIZA, lautet eine Kritik. Der frühere Energieminister und Vertreter der Linken Plattform in SYRIZA, Panagiotis Lafazanis, sprach sich am Sonntag erneut gegen ein weiteres Kreditprogramm aus. Auf der Internetseite »Iskra« hieß es unter Berufung auf Regierungskreise, Tsipras wolle die unsozialen Auflagen im Parlament durchsetzen und könnte unmittelbar darauf Neuwahlen für die erste Septemberhälfte ansetzen.

Am 20. August muss Athen 3,4 Milliarden Euro an die EZB zurückzahlen, ohne derzeit das Geld dafür zu haben. Gelingt vorher eine Einigung - die dann allerdings auch noch von nationalen Parlamenten wie dem Bundestag bestätigt werden müsste - würde die griechische Regierung die alten Schulden mit neuen Krediten aus dem dritten Programm begleichen. Reicht die Zeit nicht, müsste Athen bei der EU einen neuen Brückenkredit beantragen - auch hier: neue Kredite zur Begleichung alter Schulden. Agenturen/nd

Links:

  1. http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/eurokrise/neue-studie-gewinnt-deutschland-an-griechenlands-krise-13743187.html
  2. http://www.iwh-halle.de/d/publik/presse/30-15.pdf