nd-aktuell.de / 11.08.2015 / Politik / Seite 5

Kauder bringt seine Fraktion nicht zur Ruhe

Unionsabgeordnete von Drohungen unbeeindruckt

Uwe Kalbe
Bei Griechenland-Abstimmungen soll für Abgeordnete der Union im Bundestag wieder stärker die Fraktionsdisziplin gelten. Doch die wollen sich nicht fügen.

Roger Willemsen hat den Fraktionschef der Union im Bundestag einmal als den »schlimmsten Flegel« bezeichnet, weil der ihm bei seinen Beobachtungen für ein Buchprojekt mit unqualifizierten Zwischenrufen aufgefallen war. Volker Kauder muss wenig Rücksicht auf irgendwen nehmen, er ist in der Union eine unangefochtene Autorität. Seit 2005 ist er der Vorsitzende der Unionsfraktion. Umso einprägsamer dürfte für den Merkel-Vertrauten jetzt die Erfahrung sein, dass ihm Abgeordnete nicht nur laut, sondern auch ähnlich ruppig in die Parade fahren.

Kauder hatte in der »Welt am Sonntag« gedroht, Abweichler von der Regierungslinie müssten mit Konsequenzen rechnen. Es geht um die Griechenlandpolitik der Bundesregierung. Anders als bei der LINKEN, die die angeblichen Hilfepakete wegen deren katastrophalen Wirkungen auf die griechische Bevölkerung, die dortige Wirtschaft und die sozialen Standards des Landes kritisiert, lehnen Teile der Konservativen Transfers deshalb ab, weil sie diese für »hinausgeworfenes Geld« halten - ungeachtet der Realität, dass nicht zuletzt Deutschland von der Krise profitiert.

Bei der letzten Abstimmung hatten immerhin bereits 60 Unionsabgeordnete ihre Gefolgschaft verweigert und gegen die Verhandlungen über ein drittes Geldpaket gestimmt, fünf weitere enthielten sich der Stimme. Kauder sorgt sich nun um das Bild der Regierungsfraktion. Großes Geschütz fuhr er auf, um die Abgeordneten auf Linie zu bringen: »Die mit Nein gestimmt haben, können nicht in Ausschüssen bleiben, in denen es darauf ankommt, die Mehrheit zu behalten: etwa im Haushalts- oder Europaausschuss.«

Die Reaktionen in den eigenen Reihen lassen bisher wenig Bereitschaft zur Unterwerfung erkennen. »Stimmvieh der Parteiführung« - zu solchem will sich etwa Christian von Stetten, Chef der Mittelstands-Gruppe in CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, nicht machen lassen. Andere Abgeordnete werden mit Kauder-Kommentierungen wie »erschreckend und beschämend« zitiert, Drohungen und Sanktionen stünden schließlich nicht in der Fraktionsordnung. Der Innenpolitiker Wolfgang Bosbach, ein Kopf der Regierungskritiker in Sachen Griechenland, hatte bereits selbst Konsequenzen gezogen und war als Vorsitzender des Innenausschusses im Bundestag zurückgetreten.

Der Verein Mehr Demokratie übte grundsätzliche Kritik an Kauder. »Wenn Abgeordnete nur noch nach Fraktionszwang abstimmen dürfen und nicht mehr ihrem eigenen Gewissen folgen, bedeutet das eine Schwächung des Parlaments als Ganzes«, sagte Vorstandssprecherin Claudine Nierth. Hingegen zeigte sich der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Grosse-Bröhmer, verwundert über die »Aufregung einzelner Kollegen«. Man werde als Fraktionsmitglied in die Ausschüsse geschickt. »Wenn also ein Kollege dauerhaft die Mehrheitsmeinung der Fraktion in seinem Ausschuss nicht vertreten kann, dann sollte er konsequenterweise in einen anderen Fachbereich wechseln.« Mit Agentur