Irakische Reformen

Bagdader Regierung will die Korruption eindämmen

  • W. G. Dunlop, Bagdad
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach wochenlangen Protesten gegen Korruption und Versagen der Verwaltung hat die irakische Regierung jetzt umfassende Reformen beschlossen.

Das irakische Kabinett billigte bei einer außerordentlichen Sitzung ein erstes Reformpaket von Ministerpräsident Haider al-Abadi zur Eindämmung der Korruption einstimmig. Für einen Teil der Maßnahmen muss das Parlament einer Verfassungsänderung zustimmen.

Der Regierungschef will unter anderem »sofort« die Ämter der drei Vizepräsidenten sowie der drei Vizeregierungschefs abschaffen. Einer der Vizepräsidenten ist Nuri al-Maliki, Abadis Konkurrent und Vorgänger im Amt des Regierungschefs 2006 bis 2014. Maliki, der innerhalb der schiitischen Dawa-Partei weiter über großen Einfluss verfügt, erklärte bereits seine Unterstützung für die von seinem Nachfolger angestrebten Maßnahmen.

Dazu gehört auch, dass künftig ranghohe Posten nicht mehr nach ethnischer oder religiöser Zugehörigkeit besetzt werden sollen, sondern nach »Kompetenz, Aufrichtigkeit und Erfahrung«. Darüber entscheiden soll ein vom Regierungschef bestimmtes Komitee.

In Irak mit seiner mehrheitlich schiitischen Bevölkerung ist aufgrund einer stillschweigenden Einigung das Staatsoberhaupt kurdisch, der Ministerpräsident schiitisch und der Parlamentsvorsitzende sunnitisch. Malikis zwei Mandate als Regierungschef waren überschattet von Vorwürfen wegen Korruption, Schlendrian im Verwaltungsapparat, Machtmissbrauch und Diskriminierung der sunnitischen Minderheit.

Abadi, auch er führendes Mitglied der Dawa-Partei, hatte schon bei Amtsantritt im September 2014 angekündigt, entschieden gegen Korruption und Bürokratie vorzugehen. Doch hat sich Beobachtern zufolge im Kern wenig verändert.

Aus Protest gegen die Ineffizienz der öffentlichen Verwaltung und ausbleibende Reformen waren in den vergangenen Tagen Tausende auf die Straße gegangen. Für Ärger sorgen vor allem die Stromausfälle bei Sommertemperaturen von mehr als 50 Grad.

Die Demonstranten machen Korruption und Inkompetenz der politischen Klasse für die Probleme verantwortlich. Besonders für die schiitischen Parteien, deren Basis im Süden liegt, sind die Proteste ein Problem. Zuletzt gab es am Freitag in der Hauptstadt Bagdad und anderen Städten große Demonstrationen. Die Teilnehmer forderten, korrupte Politiker zur Rechenschaft zu ziehen und die Verwaltung zu verbessern.

Auch der einflussreiche oberste schiitische Geistliche, Großayatollah Ali al-Sistani, rief die Regierung zu mehr Einsatz gegen Korruption auf. Abadi müsse »kühner und mutiger bei seinen Reformen sein«, sagte Sistanis Vertreter Ahmed al-Safi beim Freitagsgebet in der Stadt Kerbela. Abadi dürfe sich nicht mit den »wenigen kleinen Schritten« begnügen, die er kürzlich angekündigt habe. Vielmehr müsse er »drastische Maßnahmen im Kampf gegen die Korruption und für den Schutz der sozialen Gerechtigkeit« ergreifen.

In dem jetzt vom Kabinett verabschiedeten Maßnahmenkatalog ist die Rede davon, die Zahl der Leibwächter von Politikern »umgehend und umfassend« zu verringern. Des Weiteren sollen »Sonderzulagen« für amtierende oder ehemalige Entscheidungsträger gestrichen werden. Auch gegen diese Zulagen sowie gegen die hohen Gehälter und Pensionen der Funktionäre richtete sich der Zorn der Demonstranten. AFP

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