Frischer Wind in alter Liebe

Städte- und Gemeindebund sieht Renaissance bei innerdeutschen Städtepartnerschaften

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.
Von den rund 160 Partnerschaften, die zwischen brandenburgischen und westdeutschen Kommunen unterzeichnet wurden, funktionieren zwei Drittel, schätzt der Städte- und Gemeindebund Brandenburgs.

Von einer regelrechten Renaissance der deutsch-deutschen Städtepartnerschaften sprach am Montag in Potsdam der Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes Brandenburgs, Karl-Ludwig Böttcher.

Als 1986 Eisenhüttenstadt in der DDR mit Saarlouis (Saarland) die erste deutsch-deutsche Städtepartnerschaft überhaupt einging, hatte Bärbel Püschel als Mitglied des städtischen Volkschores die erste - und wie sie damals glaubte, einmalige - Gelegenheit, in der Bundesrepublik aufzutreten. »Bis auf eine Sängerin durften alle mitfahren, und es sind auch alle wieder mit nach Hause gekommen«, erinnerte sich die heutige Bürgermeisterin von Eisenhüttenstadt. Entstanden sei am Ende eine stabile Partnerschaft, die längst auch auf der privaten Ebene angekommen sei, sagte die Politikerin der LINKEN. Heute reichten die beiderseitigen Kontakte von der Feuerwehr bis zum Fotozirkel.

Vor der politischen Wende waren sechs deutsch-deutsche Partnerschaften auf höchster Ebene verabredet worden, heute sind es deutschlandweit etwa 2000. Das brandenburgische Finsterwalde (Elbe-Elster) war aber eine von dem halben Dutzend Kommunen, die noch in der Endphase der DDR diese Gelegenheit bekamen. Bürgermeister Jörg Gampe (CDU) sagte, dass dies eigentlich auf einen Irrtum zurückzuführen gewesen sei. Ursprünglich sei die Stadt Fürstenwalde für eine solche Partnerschaft vorgesehen gewesen, doch habe es lokal solche Anstrengungen gegeben, dass Finsterwalde am Ende die Partnerschaft zu Eppelborn erobern konnte. Zum bevorstehenden »Fest der Einheit« würden wieder Gäste aus dem Westen erwartet. Beim traditionellen Finsterwalder Sängerfest seien sie immer mit dabei.

Eine Radarfalle, »hinter der damals noch Polizisten standen«, hätte beinahe in letzter Minute noch die Städtepartnerschaft zwischen Wittenberge (Prignitz) und Elmshorn verhindert, doch habe die staatliche Autorität im März 1990 noch so viel Ausstrahlung besessen, dass man die Delegation aus der Bundesrepublik »durchgewinkt« habe, so dass sie rechtzeitig in der Elbestadt eintraf. Bürgermeister Oliver Hermann schilderte diese Anekdote und verwies darauf, dass schon früher enge Wirtschaftsbeziehungen zwischen beiden Städten bestanden hätten. So habe Wittenberge Haferflocken zur Verarbeitung nach in Elmshorn geliefert.

Im ersten Schwung der deutschen Einheit seien enorm viele innerdeutsche Städtepartnerschaften entstanden, von denen viele inzwischen aber mehr oder weniger eingeschlafen seien, sagte Städtebund-Geschäftsführer Böttcher. Doch habe es in jüngster Zeit eine Wiederbelebung gegeben, das Interesse aneinander sei neu erwacht. Wittenberges Bürgermeister Hermann denkt, dass es bald nach der Wende zu einer Abkühlung gekommen sei, weil mancher im Westen wohl Angst vor einer Überflutung durch die Ostdeutschen und eine Überstrapazierung der Gastfreundschaft gehabt habe.

Geändert hat sich im Laufe der Jahre der Inhalt der Partnerschaften. Stand anfangs die Unterstützung in Form von Amtshilfen aber auch von Fachliteratur, Computern und Feuerwehrautos im Vordergrund, so begegne man sich inzwischen »auf Augenhöhe«, bestätigten die Amtschefs. Nach einer gewissen »Sättigung« sei das Bedürfnis nach Kommunikation neu erwacht, sagte Hermann. Je nach Kassenlage würden die Gemeinden die Kontakte auch finanziell fördern.

Zu den personellen Hilfen, die nach der Wende dem Osten erwiesen wurden, sagte Böttcher: »Mit der 'Buschzulage' hat man es damals vielleicht ein wenig übertrieben«. Die Hälfte der Aufbauhelfer aus dem Westen sei überragend gewesen, die andere Hälfte aber nicht. Die Bürgermeister lobten jedoch übereinstimmend, dass sie in den Verwaltungen der Partnerstädte immer einen Ansprechpartner gefunden haben, der sich auch verantwortlich gefühlt habe.

Auf die Frage, was sie eigentlich 1986 bei ihrem ersten Auftritt im Westen gesungen habe, sagte Bärbel Püschel, es seien vorwiegend Volkslieder gewesen. Man habe sie vierstimmig dargeboten, wie es sich für einen Chor gehört. Gesungen worden sei vor der Post, der Sparkasse, dem Rathaus und beim Italiener.

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