Wo aus Bäumen eine Kirche wächst

Auf der Nordinsel Neuseelands steht das ungewöhnliche Gotteshaus

  • Barbara Barkhausen, Sydney
  • Lesedauer: 3 Min.
Barry Cox liebt Bäume. Wo immer ein Baum abgeholzt werden soll, rückt er an und pflanzt ihn um. Aus den geretteten Bäumen ließ der Gärtner aus Neuseeland jetzt eine Kirche wachsen.

Die Wände zieren keine religiösen Motive, an der Decke sind keine Fresken gemalt. Vielmehr bläst der Wind durch das Gotteshaus, die Zweige rascheln und Sonnenstrahlen bahnen sich ihren Weg durch das Blätterwerk. Barry Cox - der die Baumkirche gezüchtet hat - ist kein besonders religiöser Mann. Doch Kirchen haben den Gärtner aus Neuseeland schon seit jeher fasziniert. »Als ich klein war, war ich Ministrant in unserer kleinen hölzernen Kirche in Shannon«, erinnert sich der 64-Jährige. Und obwohl die Kirche abgerissen wurde, als er zehn Jahre alt war, sei sie in seinem Gedächtnis geblieben. »Wenn ich alte Fotos anschaue, muss ich zugeben, dass sie der gleiche Stil ist wie meine Baumkirche.«

Die Baumkirche von Barry Cox wächst seit vier Jahren. Dass sie trotzdem bereits »fertig« aussieht, liegt daran, dass der Gärtner meist ausgereifte Bäume verwendet hat. Diese »rettet« er mit seiner Firma Treelocations vor dem Abholzen. Bis zu sechs Meter hohe Bäume kann Cox mit Hilfe einer Spezialschaufel, die an einem geländegängigen Lastwagen angebracht ist, samt Wurzelwerk auspflanzen. Viele davon siedelt er auf sein 1,2 Hektar großes Anwesen in der Nähe von Cambridge auf der Nordinsel Neuseelands um.

Schritt für Schritt züchtete er so seine Kirche - ohne Ziegel und Mörtel, nur an einem eisernen Rahmen als Formgeber entlang. Ganz alleine hegt und pflegt er das natürlich gewachsene Gebilde. »Die Pflege beansprucht rund zwei Tage pro Woche«, sagt Cox. Alle sechs Wochen müssten die Wände innen und außen gestutzt werden.

Auch das Gelände außen herum braucht Pflege. Die großen Rasenflächen zu mähen, dauert fünf Stunden und auch um die vielen Hecken und Blumen zu stutzen, Blätter aufzukehren und Unkraut zu zupfen, investiert Barry Cox unzählige Stunden. »Man darf dabei nicht an Geld oder Zeit denken«, sagt der Neuseeländer. »Man muss es einfach mögen.«

Zunächst saß nur Barry Cox selbst in seiner Kirche - mehr zum »Nachdenken als zum Beten« ging er hinein. Seit Januar erlaubt er jedoch auch Besuchern, seine Kreation zu sehen, auch einige Hochzeiten und Gottesdienste fanden in dem Gotteshaus in freier Natur bereits statt. Bis zu 100 Besucher kann er unterbringen.

Religiöse Architektur hat den Neuseeländer schon seit jeher fasziniert. Auf seinen Reisen um die Welt besuchte Cox verschiedenste Kirchen, Synagogen und Moscheen. »Ich habe schon immer etwas im Design religiöser Architektur gesehen, unabhängig von der Religion«, erklärt er. Besonders fasziniert hätten ihn die Moscheen in Istanbul, die Blaue Moschee und die Hagia Sophia beispielsweise.

Trotzdem fand er die letztendliche Inspiration in der kleinen, heute abgerissenen Kirche seines Heimatortes sowie bei alten Steinkirchen. »Ich wollte, dass das Dach und die Wände hervorstechen, wollte die Proportionen betonen, genau wie bei alten Steinkirchen.« Deren Dimensionen, Erker, Wände, Dächer und Fenster hatte er über Jahre hinweg studiert. Insgesamt nutzte er fünf verschiedene Baumarten für seine Kirche, hauptsächlich Erlen, deren Stämme sich leicht biegen lassen. Dadurch dass er die meisten Bäume nicht als kleine Setzlinge pflanzen musste, sondern ausgewachsene Bäume mit seinem Spezialgerät einpflanzte, wirkt die Anlage, als sei sie seit rund 20 Jahren am Wachsen und nicht erst seit vier.

Auf sein Meisterwerk angesprochen, das weltweit Vergleichbares sucht, reagiert der Neuseeländer jedoch mit Bescheidenheit. »Die Inspiration kam innerhalb einer Millisekunde.« Er habe einfach gesehen, dass dieser Ort eine Kirche brauchte.

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