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Mehrheit heißt Flüchtlinge willkommen

Asylsuchende treten in Hoyerswerda in den Hungerstreik / Jeder zweite Bundesbürger für Aufnahme weiterer Flüchtlinge / Toter in Schweizer Asyl-Notunterkunft entdeckt

  • Lesedauer: 8 Min.

Update 15.40 Uhr: Mehr Flüchtlinge aufnehmen! – aber »bitte« nur Christen
Der frühere bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU) fordert ein Kontingent für christliche Flüchtlinge aus Syrien und aus dem Irak. Dieses könnte nach dem Vorbild der Aufnahme von russischen Juden in Deutschland passieren, sagte Beckstein der »Zeit«-Beilage »Christ und Welt«. Es gebe viele »glaubwürdige Berichte«, wonach die Christen nicht nur in ihrer Heimat, sondern auch in den Flüchtlingslagern im Libanon und in den Türkei »massiv diskriminiert« würden.

Beckstein kritisierte zudem die »reichen arabischen Länder«: Sie leisteten »viel zu wenig Hilfe« in den Flüchtlingslagern und zahlten nicht einmal die Summen, die sie zugesagt hätten, sagte er. Wenn in den Lagern im Nahen Osten Ernährung, medizinische Betreuung und Unterricht gewährleistet wären, »würde der Druck zur Flucht nach Europa deutlich reduziert«, sagte Beckstein.

Mit einem Kontingent für christliche Flüchtlinge sollte Deutschland nach Ansicht von Beckstein nicht auf andere Staaten warten. Eine europäische Regelung halte er »in überschaubarer Zeit nicht für erreichbar«. Beckstein schlägt vor, dass die christlichen Flüchtlinge ihre Visumsanträge direkt in den Botschaften in Beirut und Ankara oder in Generalkonsulaten stellen. Dabei sollte der Staat mit den beiden großen Kirchen in Deutschland zusammenarbeiten.

Die Hilfe für Christen sei für die Gemeinden in Deutschland gut möglich, die Aufnahme von Muslimen hingegen »deutlich schwieriger«, sagte Beckstein, der sich jahrzehntelang in unterschiedlichen Gremien der evangelischen Kirche engagiert hat.

Update 15.30 Uhr: Flüchtlinge treten in den Hungerstreik
Vor dem Asylbewerberheim im sächsischen Hoyerswerda sind 17 Flüchtlinge in den Hungerstreik getreten. Die Männer aus Syrien protestieren gegen die aus ihrer Sicht zu lange Bearbeitungszeit ihrer Asylanträge, wie eine Sprecherin des Landratsamtes Bautzen am Mittwoch sagte. Wegen der Hitze werden die auf Matratzen vor dem Gebäude Sitzenden vom Heimbetreiber mit Getränken versorgt. In dem Heim leben derzeit 131 Männer, Frauen und Kinder.

Update 15.25 Uhr: Nazisdemos in Thüringen angekündigt
In fünf Thüringer Städten sind für kommenden Montag Demonstrationen aus dem neonazistischen Spektrum sowie Gegenkundgebungen angemeldet. Versammlungen gibt es nach Angaben der Landespolizeidirektion in Erfurt, Eisenberg, Nordhausen, Suhl und Schleusingen. Bei den Kundgebungen aus dem rechten Spektrum, die unter anderem die Asylpolitik angreifen, sind mit Suhl und Eisenberg zwei Städte mit Erstaufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge dabei. Die Stadt Suhl habe eine Kundgebung direkt vor der Einrichtung abgelehnt, was noch zu einer Verwaltungsgerichtsklage von Thügida führen könnte.

Der 17. August ist regelmäßig Termin für Demonstrationen von Nazis, da an diesem Tag 1987 der Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß im Gefängnis starb.

Update 12.10 Uhr: Bundesbürger für Aufnahme weiterer Flüchtlinge
In Kaltland ist die gesamtgesellschaftliche Stimmung gegenüber der Aufnahme weiterer Flüchtlinge positiver als gedacht, knapp jeder Zweite plädiert für die Aufnahme weiterer Asylsuchender. In einer am Mittwoch veröffentlichten Forsa-Umfrage für das Magazin »Stern« vertraten 44 Prozent der Befragten diese Auffassung. Elf Prozent äußerten, es gebe in Deutschland schon zu viele Ausländer und Flüchtlinge. Weitere 36 Prozent gaben an, die Aufnahmekapazität sei erschöpft und ein weiterer Zuzug nicht wünschenswert.

In der Umfrage äußerten sich zudem 88 Prozent überzeugt, dass Deutschland längst ein Einwanderungsland geworden sei. Tendenz steigend: Vor 20 Jahren hatten dieser Aussage nur 68 Prozent zugestimmt.

Bei der Aufnahme von Flüchtlingen wird allerdings stark nach den Fluchtgründen differenziert. 76 Prozent der Befragten sprachen sich laut »Stern« dafür aus, auf jeden Fall Flüchtlinge aufzunehmen, die vor einem Krieg im eigenen Land fließen. 57 Prozent plädierten für eine Aufnahme, wenn jemand im Herkunftsland aus politischen oder religiösen Gründen verfolgt wird. Diejenigen aber, die nach Deutschland kommen, um für sich und ihre Familien hier ein besseres Leben aufzubauen, wollen allerdings nur 13 Prozent auf jeden Fall aufnehmen.

Zum Zusammenleben von Deutschen und Ausländern sagten 59 Prozent, es gebe zwischen beiden ein normales nachbarschaftliches Verhältnis, 29 Prozent gaben an, dass beide sehr gut miteinander auskommen. Dass es häufiger zu Reibereien komme, sagten acht Prozent. In Ostdeutschland antworteten allerdings 24 Prozent auf die letzte Frage mit Ja, obwohl die Zahl der Migranten und Flüchtlinge in den neuen Bundesländern deutlich geringer ist als im übrigen Bundesgebiet.

Erschreckend: Verständnis für Angriffe auf Flüchtlings- oder Asylbewerberheime äußerte 16 Prozent der Befragten. Zwei Prozent gaben an, sie würden sich auch selbst an solchen Aktionen beteiligen. Unter den Anhängern der AfD betrug dieser Anteil sogar 23 Prozent. Insgesamt 82 Prozent der Befragten sagten, sie hätten kein Verständnis für solche Angriffe, 30 Prozent würden sich auch selbst an Gegendemonstrationen beteiligen.

Sorgen bereiten sollte den Parteien eine weitere Entwicklung: 64 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass keine einzige der im Bundestag vertretenden Parteien über die notwendige Kompetenz zur Lösung der Schwierigkeiten in der Asyldebatte verfügt.

Update 11.00 Uhr: Toter in Schweizer Asyl-Notunterkunft blieb eine Woche unentdeckt
In einer Schweizer Asyl-Notunterkunft ist die Leiche eines abgelehnten Asylbewerbers erst eine Woche nach seinem Tod entdeckt worden. Der Mann mittleren Alters beging Mitte Juli in seinem Einzelzimmer in der Unterkunft am Stadtrand von Luzern Selbstmord, wie die dortige Asylbehörde am Mittwoch erklärte. Sie bestätigte damit Angaben der »Neuen Luzerner Zeitung«.

Mitbewohner seien erst durch Verwesungsgeruch aufmerksam geworden. Der Luzerne Asylkoordinator Ruedi Fahrni sagte der Schweizer Nachrichtenagentur sda, der Mann habe sich bei den Behörden für ein bis zwei Wochen abgemeldet gehabt. Darum sei er nicht vermisst worden. Er habe rund sieben Jahren in der Unterkunft gewohnt. Weshalb sich der Flüchtling jetzt das Leben nahm, sei unklar. Die Behörde machte keine Angabe dazu, aus welchem Land der Mann stammte.

Auch Menschen, deren Asylgesuch abgelehnt wurde, dürfen sich unter bestimmten Umständen vorläufig weiterhin in der Schweiz aufhalten - etwa wenn eine Abschiebung aus humanitären Gründen nicht erfolgen kann. Neben Unterkunft und medizinischer Versorgung erhalten sie zehn Franken Nothilfe pro Tag (9,20 Euro).

Update 10.50 Uhr: Bundeswehr übergibt Zeltstadt
Die dritte Zeltstadt für Asylbewerber wird am Mittwoch (13.00 Uhr) von der Bundeswehr an das Brandenburger Innenministerium übergeben. Angesichts der Platznot in der überfüllten Erstaufnahme in Eisenhüttenstadt (Oder-Spree) sollen in dem Notquartier auf dem Gelände der Lausitz-Kaserne in Doberlug-Kirchhain (Elbe-Elster) bis zu 500 Flüchtlinge untergebracht werden. Die Kaserne wird derzeit als Flüchtlings-Unterkunft eingerichtet, ist aber voraussichtlich erst zum Jahreswechsel fertig.

In Brandenburg werden dieses Jahr mindestens 14 000 Flüchtlinge erwartet, mehr als doppelt so viele wie im Vorjahr. Es wird erwartet, dass diese Zahl noch weiter steigt. In Eisenhüttenstadt sind bereits knapp 2100 Menschen untergebracht, davon leben rund 400 in Zelten.

Update 10.40 Uhr: BDI-Chef fordert Aufnahme weiterer Flüchtlinge
Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Ulrich Grillo, hat mehr Offenheit gegenüber Flüchtlingen gefordert. »Als Wohlstandsstaat und auch aus christlicher Nächstenliebe sollte es sich unser Land leisten, mehr Flüchtlinge aufzunehmen«, sagte Grillo der in Essen erscheinenden »Westdeutschen Allgemeinen Zeitung« (Mittwochsausgabe). »Wir sind längst ein Einwanderungsland, und das müssen wir auch bleiben.«

Politik und Wirtschaft müssten den Bürgern noch viel stärker die Chancen von Zuwanderung erklären, betonte Grillo. Deutschland fehlen nach Schätzungen des BDI bis zum Jahr 2020 unter anderem durch den demografischen Wandel rund sieben Millionen Arbeitskräfte. Wichtig sei vor allem, dass die Migranten erfolgreich integriert würden, betonte der BDI-Präsident.

Update 10.30 Uhr: Bordell als Flüchtlingsunterkunft?
In Erfurt könnten Flüchtlinge künftig in einem Bordell untergebracht werden. Nach Angaben eines Stadtsprechers liegt ein solches Angebot der Betreiber des Etablissements vor, wie der Rundfunksender MDR Thüringen am Mittwoch berichtet. Einen Mietvertrag werde die Kommune aber nur mit dem eigentlichen Besitzer des Gebäudes im Norden der Stadt abschließen. Vereinbarungen mit den aktuellen Betreibern des Bordells seien nicht geplant.

Sollte die Stadt tatsächlich das Gebäude mieten, würde ein sozialer Träger mit der Betreuung der Asylunterkunft beauftragt, hieß es weiter. Der Stadt zufolge bietet das Gebäude 144 Plätze für Flüchtlinge. Bei einer Einigung könnte die Immobilie bereits im September bezogen werden.

Das Bordell »Arabella« existiert laut MDR seit knapp 20 Jahren. Ursprünglich war das Gebäude um 1995 als ein Übergangsheim für Aussiedler gedacht gewesen. Doch dann erhielt ein Pächter die Konzession für ein Bordell. Die Frauen konnten sich in das Haus selber einmieten. Seitdem soll es immer wieder Probleme gegeben haben. Zuletzt wurde das »Arabella« laut MDR 2013 und 2014 von der Polizei durchsucht. Dabei solle es unter anderem um illegale Waffen gegangen sein.

Erneut 50 Flüchtlinge im Mittelmeer vermisst

Berlin. Nach einem neuerlichen Flüchtlingsunglück auf dem Mittelmeer werden dutzende Menschen vermisst. Die italienische Marine barg nach eigenen Angaben am Dienstag rund 50 Menschen von einem Schlauchboot vor der libyschen Küste, das nach italienischen Presseberichten Luft verloren hatte und kurz vor dem Sinken stand. Nach Angaben von Überlebenden waren ursprünglich etwa 100 Menschen an Bord, etwa 50 Flüchtlinge werden vermisst. Ihr Boot sei im Kanal von Sizilien gekentert, erklärte der Sprecher der Internationalen Organisation für Migration (IOM) in Italien, Flavio di Giacomo, am Dienstag auf Twitter.

Von einem zweiten Schlauchboot wurden 119 Menschen gerettet. Alle geborgenen Flüchtlinge sollten in der Nacht auf die italienische Insel Lampedusa gebracht werden. Erst vergangene Woche waren bei einem Schiffsunglück im Mittelmeer vermutlich Hunderte Menschen ertrunken. Etwa 200 Migranten wurden am Dienstag noch immer vermisst, nachdem ihr völlig überladenes Boot vor sechs Tagen wenige Seemeilen vor der libyschen Küste gekentert war.

Nach jüngsten Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) kamen seit Jahresbeginn bereits rund 224.000 Flüchtlinge über das Mittelmeer nach Europa. Mehr als 2100 weitere kamen bei der gefährlichen Überfahrt ums Leben. Agenturen/nd

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