nd-aktuell.de / 14.08.2015 / Kultur / Seite 15

Jizz Jazz

Noch lange kein Slacker

Michael Saager

Ob Mac DeMarco je wieder rauskommt aus der Slacker-Rock-Ecke? Musikjournalisten sind Schuld, die haben sich das ausgedacht. Seitdem ist der junge kanadische Musiker mit dem schief sitzenden Basecap und der charismatischen Zahnlücke nun überall ein Slacker, seine wundervollen, auf knuffige Art verspulten Alben »Rock and Roll Night Club«, »2« und »Salad Days« tragen den Stempel Slacker-Rock.

Soeben ist eine weitere, gerade mal 24 Minuten lange Platte mit acht ruhigen, verträumten Stücken erschienen. Um die traurigen, bittersüßen und tragischen Seiten der großen Projektionsmaschine Liebe geht es auf »Another One«. Es ist sympathisch, dass der 25-Jährige, der wie immer versiert und abwechslungsreich Gitarre spielt, auf dem Titelsong am Piano sitzt. Kann er nicht so gut, sagt er, wollte er aber trotzdem mal ausprobiert haben. Bei Mac DeMarco muss nicht alles picobello sein. Sein heller, jungenhaft-zärtlicher Gesang hat etwas apart Schludriges, nicht jede Idee seines Blue Waves ist sorgfältig ausgearbeitet, daher rührt der Charme seiner Musik. Ein Slacker ist Mac DeMarco deshalb noch lange nicht.

Die Bedeutungskarriere des Wortes vom amerikanischen Wehrdienstverweigerer zum anpassungsresistenten Schluffi und Leistungsverweigerer erscheint durchaus schlüssig. Gleichwohl war der Slacker - zu popkulturellen Weihen gelangt in den frühen 90ern durch Richard Linklaters Film »Slacker« und Beck Hansens Slacker-Hymne »Loser« - alles andere als ein Musterbeispiel semantisch-begrifflicher Schärfe. Ein bisschen so wie der verhasste Berliner Hipster, der immer dann verschwindet, wenn man ihn empirisch präzise zu fassen versucht, eben weil er doch irgendwie alles ist und nichts zugleich. Eine Projektionsfläche für die doofen Sprüche Gleichaltriger wie der Hipster war der coole 90er-Slacker so natürlich nicht. Eher schon war er den Älteren suspekt, sofern die mit dem Wort etwas anzufangen wussten.

Dass Mac DeMarco aus einer extrem musikalischen Familie stammt, ging dem rebellischen Kind auf den Keks, half aber nix: Mit vierzehn spielte er diverse Instrumente und bald darauf auch in unterschiedlichen Bands. Seit 2012 erscheint sein »eigener«, von Paul McCartney, Kurt Vile und John Maus inspirierter heiter-melancholischer Laid-Back-Wave-Pop. Vier offizielle Studioalben, dazu Veröffentlichungen mit Demomaterial. Es geht Schlag auf Schlag. Faul und planlos scheint er jedenfalls nicht zu sein.

Mac DeMarco ist die freundlichste Rampensau der Welt. Die Adresse, die er am Ende des letzten Stückes von »Another One« durchsagt, damit Fans ihn auf eine Tasse Kaffee besuchen kommen, ist seine echte. Um die 30 Leute waren bisher bei ihm. Aber Slacker-Rock? Nein, sagt er, macht er nicht. »I tell everybody my music is ›jizz jazz‹, because that makes absolutely no sense.«

Mac DeMarco: »Another One« (Captured Tracks / Cargo Records)