Beim Jesus von St. Mocca

Auf den Spuren von Schmugglern, Vulkanseen und einer Steinlaus in der Eifel. Von Stephan Brünjes

  • Stephan Brünjes
  • Lesedauer: 5 Min.

Ein durchschnittliches Damenkränzchen hätte man über zehn Jahre bei guter Laune halten können mit den 260 Kilo Röstkaffee, die der Opel Super 6 an Bord hatte.» So begann «Der Spiegel» im Oktober 1952 einen fünfseitigen Artikel über das aufwändigste Gerichtsverfahren in der BRD seit den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen. 90 Kaffeeschmuggler, alle aus Mützenich in der Eifel, damals ein 1300-Seelen-Ort nahe der belgischen Grenze, saßen im Knast. Bis zu 30 000 Mark hatten einige in wenigen Jahren ergaunert.

Solche Geschichten kann heute beim Abendbrot hören, wer auf dem Mützenicher Bauernhof bei Iris Victor Urlaub macht. Aus dem Wohnzimmerfenster zeigt sie zum Waldrand Richtung Grenze: «Da oben hat mein Großvater Schmiere gestanden. Sah er einen Zöllner, dann blies er ›Ein Männlein steht im Walde‹ auf der Trompete, um seine Schmugglerkomplizen zu warnen.»

Infos

Eifel Tourismus:
Tel.: (06551) 965 60 www.eifel.info
www.naturpark-hohesvenn-eifel.de 

Übernachten:
Bauernhöfe, die dem Verbund »Naturlaub bei Freunden« angehören unter: www.naturlaub-bei-freunden.de 

Die Wanderungen auf den Spuren der Kaffeeschmuggler finden ein- bis zweimal pro Monat statt. Infos und Anmeldungen unter (06551) 505 

Das Maarmuseum Manderscheid hat dienstags bis samstags von 10-12 und 14-17 Uhr geöffnet, sonn- und feiertags von 13-17 Uhr. Infos unter (06572) 920 310, www.maarmuseum.de

Am nächsten Morgen fällt beim ersten Erkundungsspaziergang im Ortskern von Mützenich auf, dass der Gekreuzigte an der Kirchenwand bräunlich ist. «Vielleicht weil’s der Jesus von St. Mocca ist», sagt Iris. Und dann erzählt sie, wie der junge Pfarrer Scheid von St. Batholomeus die Mützenicher Schieber im Knast vor Schlimmerem bewahrte. Nicht mit frommen Gebeten, sondern mit faulen Tricks. Bei seinen Besuchen hinter Gittern kungelte er mit den in Einzelhaft schmorenden Schmugglern die Aussagen ab - damit sie sich vor Gericht nicht gegenseitig belasten. Dafür haben viele Mützenicher hinterher reichlich in den Klingelbeutel gesteckt.

Mehr solche Geschichten gibt’s 50 Kilometer südlich auf einer grenzüberschreitenden Schmugglertour mit - Achtung Wortspiel! - Wilma Rüber und Anna Grenze, alias Dorita Molter-Fensch und Sabine Petri. Die beiden Gästeführerinnen pilgern zu Originalschauplätzen der Kaffeeschieberei und erzählen davon, wie zumeist junge, kaum 18-jährige Draufgänger, die 30-Kilosäcke auf den Schultern durch den Wald und übers Hochmoor «Hohe Venn» nach Deutschland schleppten.

Und zwar noch ohne die stabilen und sicheren Holzstege, die heute durchs Venn rüber nach Belgien führen. Kilometerlange, ideale Wanderwege durch scheinbar unberührtes, meist feuchtes Grünland sind das. Die hier ebenfalls heimische Sumpfohreule zu sehen, ist dann schon ein kleiner Lottogewinn im Eifelurlaub. Eine Wanderkarte gehört unbedingt ins Gepäck, denn das Wetter im 500 Meter hoch gelegenen Moor kann plötzlich umschlagen. Karl der Große hatte bei der Jagd vor gut 1200 Jahren offenbar im Nebel so seine Orientierungsprobleme und musste - Erzählungen zufolge - eine Nacht im Hohen Venn zwischen zwei Felsbrocken schlafen.

Heute würde der Frankenkaiser sicherlich «NatUrlaub bei Freunden» buchen, die nun schon gut 15 Jahre erfolgreiche Eigenmarke des Eifel-Tourismus mit mehr als 60 teilnehmenden Bauernhöfen. Ähnlich wie der von Iris und Elmar Victor bieten sie großzügige, helle und moderne Ferienwohnungen inklusive Einbauküche, Mikrowelle und Spülmaschine. Und außerdem pfiffige Ideen für Extra-Service. Auf dem Victorhof etwa gibt’s den Wäschewaschservice (morgens abgeben, abends gewaschen und getrocknet zurück) oder «Tischlein deck dich», eine Einkaufsliste, die man schon vor Ankunft ausfüllt, damit der erste Weg am Urlaubsort nicht zum Supermarkt führen muss. Kinder dürfen bei Bauer Elmar nicht nur mal die Schafe «Mäggi» und «Lenny» streicheln oder auf den Ponys reiten, sondern haben ihren eigenen Spielstall namens «Matsche Pampe» mit Gehegen, in denen sie Meerschweinchen und Kaninchen versorgen und knuddeln können.

Im Maarmuseum Manderscheid hingegen gilt «Nur gucken, nicht anfassen!». Jedenfalls für die stein(zeit)alten Fossilien, die in der Eifel gefunden wurden: Das Urpferd, kaum größer als ein Schwein, dazu eine schätzungsweise 45 Millionen Jahre alte Honigbiene und dann noch der Beweis, dass selbst Dinos schon unter Plagegeistern litten: eine zu Stein gewordene Laus - Loriot hätte seine helle Freude. Die Ur-Eifel-Landschaft ist im Museum tropisch inszeniert, damit man sich besser vorstellen kann, wie es hier vor Millionen Jahren aussah. Beweise dafür finden sich heute noch «in freier Wildbahn», etwa bei Gerolstein. Die Felsen von Munterley sind als Korallenriffe entstanden, im Meer, das vor mehr als 300 Millionen Jahren die Landschaft bedeckte. Quasi im Zeitraffer fühlt sich, wer hier mit Experten des Geoparks Vulkaneifel unterwegs ist: Die erklären nämlich, dass vor 700 000 Jahren die Eifelvulkane ausbrachen und Seen bildeten, die sogenannten Maare. Heißes Magma in Kombination mit kaltem Grundwasser erzeugte gewaltige Explosionen, das in die Höhe geschossene Lava legte sich später als Ringwall um die Krater. Seit 10 000 Jahren ist Ruhe, aber die Vulkane schlafen nur.

Man kann die Eifel durchaus auch auf Fahrrädern erkunden. Auf dem Maare-Mosel-Radweg zum Beispiel, einer 55 Kilometer langen Strecke fast ohne Steigungen zwischen Daun und Bernkastel-Kues. Auf dieser ehemaligen Bahntrasse abseits des Straßenverkehrs rollen Radler nicht nur über buckelfreien Asphalt, sondern auch in 28 Meter Höhe über ein römisches Viadukt und durchs «Große Schlitzohr», einen schummerig beleuchteten, etwas gruseligen ehemaligen Eisenbahntunnel, benannt nach der hier lebenden Fledermausart. An dieser Strecke liegen reichlich Bauernhöfe oder Weingüter, auf denen Radwanderer gerne willkommen sind.

Mountainbiker mit 32 Gängen, Kilometerzähler und Pulsuhr können ihre Muskeln dort spielen lassen, wo Schumi früher gern mit PS protzte - am Nürburgring. Von hier bis zum Moselörtchen Bullay geht es 57 Kilometer lang auf der Vulkan-Rad-Route Eifel nur rauf und runter. Genießer unter den Radlern, die gern mal für eine Burgbesichtigung mit Panoramablick absteigen und nach der Tagestour einen guten Tropfen am Kamin wollen, sind richtig auf der Kylltalradroute zwischen Kronenburg und Trier. Das beste an diesem Trip: Wenn’s aus Kübeln gießt, einfach rein in den Zug, denn eine Bahnlinie verläuft hier - wie ein zuverlässiger Begleiter - immer entlang der Radstrecke.

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