Auf Streife an der Kreideküste

Um Rügen herum gibt es immer mehr Charterboote - die Wasserschutzpolizei hat viel zu tun

  • Martina Rathke, Sassnitz
  • Lesedauer: 4 Min.
Sie fahren Streife - nicht auf der Straße, sondern auf der Ostsee. Die Wasserschutzpolizei will Fischwilderern, betrunkenen Bootsführern, Ausrüstungsmuffeln und Umweltsündern auf die Spur kommen.

Ihr Einsatzfahrzeug hat keine Räder, sondern braucht eine Handbreit Wasser unterm Kiel: Jeden Morgen gegen 7 Uhr legt das Küstenstreifenboot »Granitz« vom Stadthafen Sassnitz an der Ostküste Rügens ab. Die Tour führt die Wasserschutzpolizei auch Richtung Kreideküste. Seit das Netz an Häfen mit entsprechenden Charterjachten immer dichter geworden ist, steigt auch der Verkehr an der Ostsee und den Boddengewässern. Das Team um Polizeikommissar Uwe Bruchalla will Angelboote und Segler kontrollieren, die auf den Gewässern rund um Rügen in Mecklenburg-Vorpommern schippern. »Ausrüstungsmängel auf den Charterbooten sind unser Hauptproblem und im Ernstfall ein echtes Sicherheitsrisiko für die Besatzung«, erklärt Bruchalla seinen Einsatz.

644 Ordnungswidrigkeitsverfahren auf See haben die Beamten der Wasserschutzpolizeiinspektion in Sassnitz bis Ende Juli aufgenommen, 88 mehr als im Vorjahreszeitraum. Auch die Zahl der maritimen Unfälle nahm zu. Die meisten davon waren Sportbootunfälle. Polizeikommissar Bruchalla führt dies auch auf die höhere Fahrzeugdichte um Rügen zurück. Landesweit ist hingegen die Anzahl an Ordnungswidrigkeiten auf dem Wasser gesunken: 3772 waren es im vergangenen Jahr, bislang wurden 3466 im Jahr 2015 registriert.

Die »Granitz« arbeitet sich bei Windstärke sechs und hohen Wellen in Richtung Kreideküste vor. Ein Gewässerstreifen von 500 Meter vor den Kreidefelsen gehört zur streng geschützten Kernzone des Nationalparks Jasmund. In diesem zwölf Kilometer langen Streifen gilt ein striktes Fahrverbot. »Obwohl die Fahrverbotszone in allen Seekarten ausgewiesen ist, riskieren einige immer wieder die Fahrt in das Gebiet«, sagt Polizeihauptmeister Hartmut Dahms. 250 Euro Bußgeld kostet diese Ordnungswidrigkeit. Wenn nicht ein besonderer Einsatz oder Notfall ruft, steuert das Küstenstreifenboot jeden Tag einen anderen Abschnitt in den Ostsee- und Boddengewässern um Rügen an. Notfälle seien selten, aber oftmals belastend. Anfang Juli nahm die »Granitz« vor Binz einen Toten an Bord. »Schlimm ist es, wenn die Kollegen Kinder bergen müssen«, sagt Wasserschutzpolizeisprecher Hartmut Richter. »Wer solche Ereignisse aber nach Wochen nicht verarbeiten kann, muss den Beruf wechseln.«

Polizeihauptmeister Hartmut Dahms kann sich noch an das Unglück im Dezember 2011 erinnern, als die kleine Katharina am Kap Arkona bei einem Küstenabbruch ums Leben kam. Tagelang hatten Helfer vergeblich nach dem Mädchen gesucht, einen Monat später wurde die Leiche des Kindes angespült. »Das war eine schwere Situation für uns alle.«

Die »Granitz« nimmt schließlich ein Angelschiff ins Visier, das rund eine Seemeile vor der Kreideküste in den Wellen schaukelt. Mit einem Schlauchboot setzen Dahms und sein Kollege Marcus Smendes zum Schiff über. Sechs Männer sind an Bord, von denen fünf ihre Ruten mit der Hoffnung auf einen fetten Dorschfang ins Wasser halten. »Papiere bitte«, fordert Dahms freundlich. Nach einem kurzen Blick ist klar: das Angelschiff ist unterbesetzt. Neben dem Schiffsführer hätte noch ein Decksmann an Bord sein müssen. Der sei kurzfristig krank geworden, antwortet der Schiffsführer kleinlaut - eine Anzeige folgt trotzdem. Auch den Anglern ergeht es nicht besser: Zwei Männer aus Dresden haben keine Angelerlaubnis. Ihnen droht jetzt eine Strafanzeige wegen Fischwilderei. Ein weiterer hat seinen Fischereischein vergessen - auch das ist eine Ordnungswidrigkeit. Statt Dorsch nehmen die Angler Anzeigen mit an Land: Das Schiff muss sofort in den Hafen Sassnitz zurückkehren.

In den vergangenen Jahren sorgten Paraffin-Anspülungen zweimal an der Küste Rügens für Aufregungen. Frachter wuschen auf See ihre Laderäume aus, die chemische Substanz landete dann in Klumpen an den Stränden. Für die Wasserschutzpolizei gleicht die Suche nach dem Umweltsünder einem Puzzlespiel. Aus den Strömungs- und Windmodellen, dem aufgezeichneten Schiffsverkehr werden die verdächtigen Schiffe herausgefiltert und dann Zug um Zug überprüft, erklärt Richter. Für die erste Verschmutzung wurde ein italienischer Frachter ausfindig gemacht. Im zweiten Fall läuft die Suche nach dem Täter noch.

Zum Revier der Wasserschutzpolizeiinspektion Sassnitz gehören die Außen- und Boddengewässer der gesamten Inseln Rügen, Hiddensee und der Halbinsel Fischland-Darß-Zingst. »Wir können nicht überall sein«, sagt Bruchalla. Neben dem 25 Meter-Schiff »Granitz« gehen hier noch zwei kleinere Boote auf Streife.

35 Mitarbeiter arbeiten in Sassnitz - von rund 270 Wasserschutzpolizisten in ganz Mecklenburg-Vorpommern. In den letzten Jahren wurden im Zuge der Polizeistrukturreform auch in diesem Bereich Stellen abgebaut. »Wir sind im Grenzbereich angelangt«, sagt Sprecher Hartmut Richter. Ein weiterer Abbau von Vollzugsbeamten könne zur Folge haben, »dass wir bestimmte Aufgaben nicht mehr wahrnehmen können.« dpa/nd

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