Bernie ärgert Hillary

Präsidentschaftskandidat Sanders macht Clinton in den USA Druck von links

  • Reiner Oschmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Als sich Ehemann Bill 1992 um die US-Präsidentschaft bewarb, war die Demokratische Partei seit zwölf Jahren nicht mehr im Weißen Haus und driftete nach rechts. Nun bewirbt sich Hillary Clinton, da die Demokraten acht Jahren regieren und die Basis zunehmend nach links schaut. Die frühere First Lady und Ex-Außenministerin gilt momentan sowohl gegenüber den 17 Bewerbern der Republikaner als auch gegenüber den anderen Kandidaten der Demokraten als klare Favoritin. Zugleich erscheint in Zeiten wachsender Empörung über Wall Street und soziale Ungleichheit heute kein Demokrat enger mit den Reichen und Mächtigen verbandelt als die 67-Jährige. Das ist ein Dilemma, das der Kandidatin im frühen Wahlkampf zu schaffen macht. Clintons lange politische Erfahrung wird an der Parteibasis auch als Beleg ihrer Verstrickung in das System Washington und ihrer Unglaubwürdigkeit gewertet.

Keiner profitiert davon aktuell mehr als Senator Bernie Sanders (73) aus Vermont, ein erklärter Sozialist und parteilos. Sanders betont wirtschaftlich-soziale Fragen. Er will die Arm-Reich-Schere schließen, den Mindestlohn auf 15 Dollar erhöhen, von den Reichsten und der Wall Street mehr Steuern holen und die größten Banken aufspalten. Er fordert Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen durch die Regierung, bessere Sozialversicherung und finanzielle Entlastung für Studenten. Mit diesen Positionen punktet Sanders und zieht Zuhörer in Rekordzahl an. In den vergangenen Wochen lockte er nach Angaben der »Washington Post« insgesamt »über 100 000 Leute an - womit er bislang die größte Zugkraft aller Präsidentschaftsbewerber bewiesen hat«.

Rund 28 000 kamen, um ihn in Portland (Oregon) zu sehen, die größte Teilnehmerzahl bei einem einzelnen Termin im bisherigen Wahlkampf. Zuvor waren es 15 000 in Seattle, etwa 11 000 in Phoenix (Arizona), 10 000 in Madison (Wisconsin) usw. usf. Vor wenigen Tagen, diesmal in Los Angeles (Kalifornien), sollen 27 500 Menschen versucht haben, ihn in einer Sporthalle zu hören. Da sie nur 17 500 fasst, versammelten sich die anderen draußen. Waren die Teilnehmer seiner Meetings zuerst vorwiegend weiß, kommen seit kurzem auch immer mehr Schwarze und Asiaten.

Im Lager der Wahlkampf-Favoritin erzeugt diese Entwicklung keine Panik, aber Nervosität. Hillary Clinton, lange mit der Attitüde der Erhabenheit über die Tageskämpfe, beginnt aggressiver aufzutreten. Sie reagiert damit zugleich auf »eine Erosion ihres öffentlichen Images«, wie die »Washington Post« beobachtet. Mehr Wähler als je zuvor sähen Frau Clinton kritisch und hielten sie nicht für vertrauenswürdig. Clintons veränderte Haltung sei aber auch eine Reaktion darauf, »dass ihr größter Rivale beim Kampf um die Nominierung der Demokraten, Bernie Sanders, Massen von 10 000 und mehr in den liberalen Bastionen der Demokraten anlockt und so Clintons fortdauernde Schwäche bei der progressiven Basis der Demokraten bloß legt«. Clintons Sympathiewerte sanken laut Analyse von NBC und »Wall Street Journal« von Juni bis Juli von 44 auf 37 Prozent. Andere Umfragen zeigen einen ähnlichen Trend und registrieren eine Verringerung ihres Vorsprungs gegenüber Bernie Sanders.

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