Politische Rechnungen in Bremen

Zum Bundesligastart sorgt ein Polizeieinsatz der letzten Saison für Ärger - wegen der Kosten und einer Verhaftung

  • Stephan Fischer
  • Lesedauer: 3 Min.
In Bremen sitzt ein linker Ultra nach einer Auseinandersetzung mit Nazi-Hooligans weiter in Untersuchungshaft.

Der Streit um Polizeieinsätze bei Spielen des Fußballbundesligisten SV Werder Bremen geht in die nächste Runde: Nun will die Bremer Innenbehörde der Deutschen Fußball Liga (DFL) eine Rechnung schicken: 425 818,11 Euro will die klamme Hansestadt von der DFL erstattet bekommen, bestätige Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) - das seien die zusätzlichen Kosten für das als Risikopartie eingestufte Spiel von Werder gegen den Hamburger SV am 19. April dieses Jahres.

Trotz des massiven Polizeiaufgebots konnten einzelne Schlägereien an dem Tag nicht verhindert werden. Dabei handelte es sich aber nicht um Auseinandersetzungen zwischen den beiden verfeindeten Fanszenen - vielmehr schlug ein seit vielen Jahren schwelender politischer Konflikt innerhalb der Bremer Fanszene in Gewalt um. Dort treffen seit Jahren linke Ultras auf in der rechten Szene aktiven Nazis und Hooligan. Die Übergänge bei letzteren sind oft fließend, so stammt die bei beiden Gruppen beliebte Band »Kategorie C« aus der Stadt. Bremer Ultras engagieren sich hingegen seit Jahren gegen Faschismus und Rassismus und werden so zur Zielscheibe von rechts. Bisher trauriger Höhepunkt war ein Überfall von Hooligans und Nazis auf die Ultragruppe »Racaille Verte« im Ostkurvensaal des Weserstadions - die Schläger kamen mit geringen Geldstrafen davon und verhöhnten ihre Opfer im Gerichtssaal.

Im April kam es dann in der Nähe des Stadions zu Auseinandersetzungen zwischen beiden Lagern- im Nachgang reagierte die Polizei hart gegen die linken Ultras. Hausdurchsuchungen folgten, seit dem 1. Juli sitzt der 21-jährige Valentin S. in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm mehrfache gemeinschaftliche gefährliche Körperverletzung vor, zuletzt nach jenem Nordderby gegen den HSV. Verschiedene Ultragruppen und Freunde sympathisierten sich wegen der aus ihrer Sicht völlig überzogenen Haft mit ihm. Außerdem hätte die Polizei die Ultras in eine Gruppe Hooligans getrieben.

Auch die Bremer Jusos und die Grüne Jugend forderten die Freilassung und kritisierten die U-Haft als völlig überzogen. In einem offenem Brief verweisen sie auf mehrere Vorfälle in den vergangenen Jahren, in denen die Bremer Polizei Nazi-Hooligans freie Hand gelassen hätte, die daraufhin zum Beispiel Jagd auf Linke gemacht hätten: »All dies hat den Betroffenen rechter Gewalt gezeigt, dass sie sich offenbar selbst um ihre Sicherheit kümmern müssen.« Und weiter: »Es ist eindeutig: An Valentin S. soll ein Exempel statuiert werden. Man will zeigen, dass man die Lage im Griff hat.« Gleichzeitig ebne die Polizei Nazis und Hooligans den Weg. »Wir sind schockiert darüber, wie hier mit antirassistisch eingestellten Menschen im Vergleich zu chronischen rechten Gewalttätern umgegangen wird.« Linke Gruppen haben für den diesen Samstag zu einer Demonstration »gegen Nazis und Repression aufgerufen«, schließlich sei in Bremen antifaschistischer Selbstschutz nötig.

Auch nach einem Gespräch Anfang August mit Sympathisanten von Valentin und Polizeipräsident Lutz Müller blieb Senator Mäurer jedoch bei seiner Einschätzung: Gewalttaten würden weiter konsequent verfolgt, egal ob von Links oder Rechts. Damit bleibt er bei seiner Linie, hart gegen Ultras vorgehen zu wollen - dabei folgt ihm die Polizei seit Jahren »konsequent.« Die Rechnung für diesen Kurs sollen andere zahlen: Ein linker Ultra mit Untersuchungshaft und die DFL mit Euros für die riesigen Polizeiaufgebote. Der SPD-Innensenator kündigte bereits eine weitere Rechnung an die DFL für das Spiel im vergangenen Mai gegen Mönchengladbach an. Und Valentin S. bleibt auch nach einem Haftprüfungstermin am 11. August weiter in Haft.

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