Tsipras muss um Vertrauen bitten

Nach dem Parlamentsbeschluss für neue Sparauflagen steht Griechenland vor der nächsten Wahl

  • Katja Herzberg
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Beschluss der Euro-Gruppe und damit die Zustimmung der Gläubiger zum dritten Kreditprogramm für Griechenland stand noch aus, aber eine Neuwahl war in Athen am Freitag fast schon sicher.

Zwar viel später als geplant, aber mit nicht minder deutlicher Mehrheit hat das griechische Parlament das neue Kreditprogramm mit den damit verbundenen Sparauflagen gebilligt. Nach einer nächtlichen Debatte votierten am Freitagvormittag 222 der 297 anwesenden Abgeordneten in namentlicher Abstimmung mit Ja. Allerdings waren davon nur 118 Abgeordnete der Regierungsparteien SYRIZA und ANEL. Ministerpräsident Alexis Tsipras verfehlte damit die für eine Minderheitsregierung nötige Mehrheit von 120 Parlamentariern. Er kündigte an, die Regierung bis zum Erhalt der ersten Tranche der neuen Kredite weiter zu führen. Am 20. August wird Tsipras dann voraussichtlich die Vertrauensfrage stellen. Da er diese zu verlieren droht, scheint eine vorgezogene Parlamentswahl unausweichlich.

Zur Verteidigung seines Kurses sagte Tsipras im Parlament, Griechenland habe das Sparprogramm akzeptieren müssen, um einen vom deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble ins Spiel gebrachten vorübergehenden Austritt des Landes aus der Euro-Zone zu verhindern: »Wir konnten einen Bankrott abwenden.« Mit Blick auf die Ablehnung durch den linken SYRIZA-Flügel sagte er: »Wer glaubt, er hätte etwas Besseres erreichen können, der soll es uns sagen.«

Das neue Griechenland-Programm, das Kredite in Höhe von bis zu 86 Milliarden Euro vorsieht und im Gegenzug weitere Steuererhöhungen, Privatisierungen und Verwaltungsreformen verlangt, muss nun noch von mehreren Parlamenten in Euro-Ländern und der Euro-Gruppe bestätigt werden. Dafür kamen am Nachmittag die Finanzminister der Euro-Länder in Brüssel zusammen. Euro-Gruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem rechnete mit langwierigen Beratungen. Er hoffe, dass es »am Ende des Abends ein positives Ergebnis geben wird«. Schwierige Verhandlungen wurden vor allem wegen der deutschen und niederländischen Nachbesserungsforderungen erwartet.

Das Bundesfinanzministerium hatte in einem Schreiben Beanstandungen an der Vereinbarung zwischen Athen und den Experten der Gläubigerinstitutionen aufgelistet; darunter zu wenig konkrete Angaben der zeitlichen Umsetzung von Reformen sowie zum Umgang mit der Schuldenbelastung Griechenlands und der Beteiligung des Internationalen Währungsfonds (IWF) am neuen Programm. Finanzminister Wolfgang Schäuble bekräftigte in Brüssel, dass eine klare Zusage des IWF Voraussetzung für die Zustimmung Deutschlands sei. Nötig sei »ein klares Commitment, ein möglichst verbindliches Commitment«, so Schäuble.

Dem Treffen sollte IWF-Chefin Christine Lagarde per Video zugeschaltet werden. Der IWF ließ seine weitere Beteiligung bisher offen, da die Organisation die Rettungspolitik - die zu einer immer höheren Verschuldung Griechenlands geführt hat - zunehmend infrage stellt. Der IWF will einen Schuldenschnitt, den Berlin bislang stets ablehnte.

Wie nötig zumindest eine Restrukturierung der griechischen Staatsschulden ist, offenbarte eine Analyse der EU-Kommission und der Europäische Zentralbank, die am Freitag bekannt wurde. Selbst wenn Athen die Reformen vertragstreu umsetzt, wächst demnach der Schuldenstand im Vergleich zur Wirtschaftsleistung in den kommenden Jahren weiter. Mit Agenturen Seite 4

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