nd-aktuell.de / 18.08.2015 / Sport / Seite 19

»Auf der WM liegt ein Schatten«

DLV-Präsident Clemens Prokop erkennt das Dopingproblem in der Leichtathletik an, verteidigt aber den Weltverband

Clemens Prokop, Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV), will ins Council des Weltverbands IAAF. Mit Kristof Stühm und Christoph Leuchtenberg sprach er vor der Abstimmung am Mittwoch über das Dopingproblem und verriet, wen Deutschland bei der Wahl zum IAAF-Präsidenten unterstützt.

Sie wollen sich am Mittwoch als Nachfolger von Helmut Digel ins oberste IAAF-Gremium wählen lassen. Wie stehen Ihre Chancen?
Der Ausgang der Wahl ist völlig offen. Früher war es als Vertreter eines so großen Verbandes wie des DLV vielleicht ein Selbstläufer, aber das ist heute im freien Spiel der internationalen Kräfte und Interessen nicht mehr der Fall.

Was wollen Sie bewegen, sollten Sie es schaffen?
Ich würde meine Erfahrung aus 14 Jahren an der Spitze des DLV einbringen. Mir geht es darum, aktiv eine Reform der Leichtathletik einzuleiten. Sie muss wieder attraktiver für junge Leute werden. Da haben wir in Deutschland mit unseren Veranstaltungen in den Städten, bei denen wir ganz nah an den Fans sind und die Faszination der Leichtathletik noch intensiver zu spüren ist, positive Erfahrungen gemacht. Da wird die Leichtathletik als cool wahrgenommen.

Das angestaubte Image der Leichtathletik ist im Moment wohl nicht das dringendste Problem.
Natürlich hängt die Glaubwürdigkeit mit dem Erfolg im Kampf gegen Doping zusammen. Und dieser Kampf sollte organisatorisch von den Verbänden getrennt werden, denn der Sport kann das Problem alleine nicht lösen. Sonst heißt es wie jetzt auch ganz schnell, es werde vertuscht und es gebe gar kein Interesse an einer Aufklärung.

Zuletzt wirkte die IAAF bei der Aufarbeitung der Vorwürfe aber auch nicht sonderlich souverän.
Natürlich kann man immer noch mehr tun, und ich halte auch nicht jede Wortwahl für gelungen. Das ist wohl auch Ausdruck einer gewissen Verletztheit, weil die IAAF sich im internationalen Antidoping-Kampf sehr engagiert sieht. Die IAAF hat zu Recht darauf hingewiesen, dass sie bislang mehr Sportler gesperrt hat als alle anderen Sportorganisationen zusammen.

Wie ist das Problem aus Ihrer Sicht zu lösen?
Das Dilemma ist vor allem, dass es tatsächlich keine einheitlichen weltweiten Standards gibt. Bei dieser unglaublich anspruchsvollen Aufgabe ist vor allem die Welt-Antidoping-Agentur gefordert. Zudem ist auch Aufklärung weiter extrem wichtig. Ich glaube, dass wir in Deutschland mit dem dualen System der Ausbildung dem Problem entgegenwirken. Vielleicht ist das Modell auch international umsetzbar, damit die Abhängigkeit vom Sport nicht mehr über Existenzen entscheidet.

Wie beurteilen Sie den momentanen Zustand der Leichtathletik?
Natürlich liegt ein Schatten auf der WM in Peking. Aber wir reden bei den Enthüllungen noch von Verdachtsmomenten. Auch der Beitrag der ARD stellt klar, dass keiner der Werte Doping als solches nachweist. Natürlich ist zu befürchten, dass in Peking auch gedopte Athleten an den Start gehen. Aber der überwiegende Teil der Athleten dürfte nicht dopingverdächtig sein, und es gilt, die sauberen Athleten zu schützen.

Sebastian Coe und Sergej Bubka wollen Nachfolger des scheidenden IAAF-Präsidenten Lamine Diack werden. Zu wem tendieren Sie?
Der Verband hat sich in Richtung Coe positioniert. Beide sind hervorragende Kandidaten, aber der DLV sieht bei Coe das noch größere Reformpotenzial. SID/nd