Bamberger Stierköpfe fürs Berliner Schloss

Steinmetzarbeiten aus fränkischem Sandstein sind bei vielen Bauprojekten in Deutschland gefragt

  • Harald Lachmann
  • Lesedauer: 3 Min.
Ob klassische Restaurierungen oder Projekte wie das Berliner Schloss - das Bamberger Natursteinwerk ist vielerorts dabei. Ein Besuch vor Ort.

Eine Steuerrückerstattung war es, mit der sich der fränkische Steinmetz Hermann Graser vor 50 Jahren einen Traum erfüllte. Er gründete in Trossenfurt im Steigerwald einen kleinen Betrieb, spezialisierte sich auf Restaurierungen. Zwei Jahrzehnte später wechselte er in die Welterbestadt Bamberg, investierte in ein neues Natursteinwerk. Inzwischen liegt die Geschäftsführung in den Händen von Hermann Graser (38) jun. und Martin Graser (37). Auch unter ihnen ist das Bamberger Werk, das nun 150 Mitarbeiter zählt, vielerorts dabei, wo historische Bauten auferstehen.

So fertigen ihre Steinmetze gerade eine Reihe massiver Sandsteinelemente - etwa raffinierte Spindeltreppen - für die spektakuläre Wiedergeburt des Altstadtensembles auf dem Frankfurter Römer. Eine »besonders anspruchsvolle Herausforderung« nennen die Brüder auch die derzeitige Rekonstruktion der Fassade von Palais Barberini in Potsdam.

Verwendung finden dabei, wie auch sonst oft bei ihren Projekten, Sandsteine und Quarzite aus 21 firmeneigenen deutschen Steinbrüchen. Damit leisten die Franken nicht nur einen Beitrag zur Authentizität des Baumaterials, es erübrigt auch den Import von Naturstein etwa aus Indien oder Brasilien. Denn der muss nicht nur energieaufwendig um die halbe Welt transortiert werden, zuweilen wird er sogar von Kindern gebrochen.

Dennoch haben es einheimische Unternehmen schwer gegenüber chinesischer Billigkonkurrenz. Hermann Graser jun. bemerkt immerhin ein Umdenken: Inzwischen würde sich jeder verantwortungsbewusste Architekt »aufgrund von mehr Nachhaltigkeit den Ort, den er bebauen will, vorher auch genauer unter dem Aspekt anschauen, welche regionalen Steine sich hierfür eignen«.

Ihr größtes Projekt stemmen die Bamberger derzeit mit dem Berliner Schloss - ein enormer Kraftakt, zumal in der Kürze der vorgegebenen Frist bis Ende 2018. Allein für die Rücklagenfassaden der Nord- und Südseite, wofür sie den Zuschlag erhielten, sind neben der Werk- und Montageplanung auch alle für die Rekonstruktion nötigen Mauerwerksleistungen zu erledigen. Hinzu kommen 2400 Kubikmeter hochwertige Steinmetzarbeiten: skulpturaler Schmuck, Fenstergewände, Gesimse, Säulen. Daneben übernahmen die Bamberger zusammen mit einem Partner auch die Portale I und V als Zugang zum Schlüterhof.

Für besonderes Aufsehen sorgt die große Zahl von 600 vollständig ausgearbeiteten Bildhauerwerkstücken, die seit dem Frühjahr von Bamberg nach Berlin rollen. Hierzu zählen 42 Wappenschilder mit Kronen, 78 Widderköpfe mit Lorbeergebinde, 41 Adler, 44 stilisierte Opferstierköpfe.

Indes ist dieser Part in der Denkmalspflege nicht unumstritten. Denn einen Teil der Arbeiten, um die Skulpturen zunächst grob aus den Sandsteinblöcken herauszuarbeiten, übernehmen Roboter - also nicht wie im Barock Handwerker mit Schlegel und Eisen. Die Brüder Graser kennen dieinschlägigen akademischen Debatten. Als unmittelbar Beteiligte verweisen sie darum lieber auf die Sicht anderer, etwa Wilhelm von Boddien, Geschäftsführer des Fördervereins für den Wiederaufbau des Berliner Schlosses. Der nennt es schlicht »unproduktiv«, die menschliche Arbeitskraft des Bildhauers dafür zu nutzen, »das Kunstwerk aus dem Stein zu befreien«. Denn oft blieben von einem 10-Tonnen-Block nach Fertigstellung der Skulptur nur fünf Tonnen übrig. Der Roboter übernehme schließlich nur die Vorarbeit, so dass der Bildhauer seine ganze Kraft darauf verwenden könne, dem Stück »die entscheidende künstlerische Note« zu geben. Seine Kapazität werde so »verdreißigfacht«. Aber auch die klassische Restaurierung bestimmt weiter den Alltag der Bamberger, so an der Steinernen Brücke in Regensburg, am Neuen Palais in Potsdam, auf der Berliner Museumsinsel.

Allerdings mache Restaurierung »oft nicht mehr wirklich Spaß«, sagen die Grasers. Der Markt sei hart umkämpft, die Preise zuweilen »jenseits von Gut und Böse«. Mancher Bauherr - etwa Immobilienfonds - würden die denkmalpflegerischen Eingriffe an historischem Kulturgut »am besten gleich noch vom Gerüstbauer mit erledigen ließen«, sagen sie spitz.

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