nd-aktuell.de / 18.08.2015 / Politik / Seite 7

Die Angst vorm Krieg

Russische Bürgerrechtler kritisieren Konfrontationskurs

Irina Wolkowa, Moskau
Russische Bürgerrechtler haben eine Petition zur Verhinderung eines Dritten Weltkriegs im Internet veröffentlicht.

Mehrfach könne die Menschheit sich mit dem derzeitigen Kernwaffenarsenal selbst auslöschen. Schlafwandlerisch taumele die Welt dem Abgrund entgegen. »Wir, die Unterzeichner, fordern den sofortigen Stopp der Konfrontation und eine Rückkehr zu politischen Lösungen sämtlicher Konflikte.« Das ist der letzte Satz einer Online-Petition, die bereits Hunderte Bürger Russlands unterzeichneten. Ins Netz gestellt haben sie nicht etwa Agitprop-Soldaten eines staatlich alimentierten Friedenskomitees wie in der Sowjetunion zu Zeiten des Kalten Krieges. Verfasser ist vielmehr die Bürgerrechtsbewegung Solidarnost, die gewöhnlich kräftig gegen den Strich bürstet und laut offizieller Sprachregelung zur »Fünften Kolonne« zählt.

Auch in der Ukraine-Krise stehen Solidarnost und Co. auf der anderen Seite der Barrikade, warnen jedoch vor der weiteren Eskalation der Spannungen zwischen Russland und NATO und teilen dabei nach beiden Seiten aus. Durch jüngste Manöver Russlands und der NATO würde die Wahrscheinlichkeit eines Krieges in Europa steigen. Übungen, für die stets »sehr sensible Regionen« gewählt werden, hätten keinen abstrakten Charakter mehr, sondern konfrontativen. Die jeweils andere Seite nehme sie als Provokation wahr, das Misstrauen wachse.

Fakten bestätigen das. Bei der Hälfte der insgesamt 270 Manöver, die die NATO für 2015 mit insgesamt über 50 000 Soldaten plant, wird der Schutz Osteuropas unmittelbar an Russlands Grenzen geübt. Die Allianz, so Alexander Gruschko, Moskaus Botschafter bei der NATO, setze Russland gegenüber auf Abschreckung. Russland werde jedoch auf jede Gefahr an seinen Grenzen reagieren. Auf der Agenda des Verteidigungsministeriums stehen daher für das laufende Jahr insgesamt rund 4000 Übungen. Vor allem im westlichen Militärbezirk und in der Arktis. Dabei kommen ca. 80 000 Soldaten zum Einsatz, darunter auch Kernwaffentruppen. Moskau reagiert damit auf Ankündigungen der USA, wonach bei dem NATO-Manöver Trident Juncture 15 im Herbst auch der Einsatz von Nuklearwaffen geprobt wird.

Üben wollen beide Seiten außerdem schnelle Mobilisierung und Umgruppierungen über große Entfernung. Washington will nach russischen Erkenntnissen zudem Produktion und Stationierung einer neuen Generation taktischer B-61-21-Nuklearwaffen in Kontinentaleuropa forcieren.