Wer am Wasserhahn für Nordbayern dreht

Mal verhindern sie das Austrocknen von Flüssen, mal ein Hochwasser - die Schaltwarte vom fränkischen Altmühlsee

  • Klaus Tscharnke, Gunzenhausen
  • Lesedauer: 4 Min.
Es geschah vor neun Tagen: Wegen der Trockenheit wurde der übliche Wassertransfer von Süd- nach Nordbayern gestoppt. Nun läuft das Wasser wieder, aber wie funktioniert das Ganze eigentlich?

Weitsicht ist im Job von Klaus Besner alles: Wann immer ein Gewittersturm die Flüsse Altmühl oder Rednitz über die Ufer treten lässt - der Schaltwart im Wasserwirtschaftsamt Ansbach (Bayern) sollte es möglichst schon einen Tag vorher wissen oder zumindest erahnen. Denn auch wenn ein Mausklick in der Schaltwarte der Behörde im Gunzenhauser Ortsteil Schlungenhof ausreicht, um ferngesteuerte Wehre zu schließen und Wasser in Speicherseen umzuleiten - in den Gewässern selbst ist Besners Eingriff meist erst tags drauf spürbar. »Denn Wasser ist anders als Strom ein träges Medium«, betont er. »Da müssen wir möglichst frühzeitig auf solche Ereignisse reagieren, sonst ist unsere Arbeit wirkungslos.«

Besner ist zusammen mit Betriebsleiter Rolf Kleinert für das Gewässermanagement an der Schnittstelle zwischen Nord- und Südbayern verantwortlich. Meist wirken die beiden Behördenmitarbeiter im Verborgenen. Die extreme Trockenheit der vergangenen Wochen hat jedoch den Job der beiden Wasserexperten über Nacht in den Blickpunkt gerückt. Denn ohne die riesigen Wassermassen aus der Donau wären in diesem Sommer etliche nordbayerische Flüsse schmale Rinnsale gewesen - und damit auch mancher Brunnen trocken gefallen. Aber selbst die Zufuhr von Donauwasser über den Main-Donau-Kanal nach Norden war wegen Niedrigwassers in diesem Jahr ein paar Tage lang nicht möglich. Dank der Regenschauer seit dem Wochenende beginnt sich die Lage wieder etwas zu entspannen. Inzwischen sei der Wassertransfer aus Südbayern wieder angelaufen, wurde gemeldet. Die beiden Wasser-Lotsen versuchen dabei mit viel Feingefühl, eine Art Gleichgewicht zwischen den angeschlossenen Gewässern herzustellen: Keinem See soll in der gegenwärtigen Phase zu viel Wasser entnommen werden. Andererseits soll aber auch der Pegel der Rednitz und des Mains nicht zu stark sinken, erläutert Betriebsleiter Kleinert.

Besner sitzt derweil entspannt vor drei Bildschirmen in der Leitwarte im ersten Stock des Gunzenhauser Behördengebäudes. Sein Blick huscht über blau eingefärbte Ziffern, die die aktuellen Wasserstände auf allen wichtigen Gewässern zwischen Altmühl- und Rothsee anzeigen - um schließlich an den Angaben für den Rothsee hängen zu bleiben: »Zur Zeit werden 21 Kubikmeter Wasser pro Sekunde in den See geleitet. Der See ist schon wieder ganz gut gefüllt«, stellt Besner zufrieden fest. Alle 15 Hochleistungspumpen in den fünf Schleusen im südlichen Abschnitt des Main-Donau-Kanals liefen unter Volllast. Denn der in der Vorwoche fast leer gelaufene Rothsee soll so schnell wie möglich wieder aufgefüllt werden.

Die von der kleinen Schaltwarte aus bewegten Wassermengen sind enorm: Allein über die Pumpwerke des Main-Donau-Kanals gelangten jährlich 125 Millionen Kubikmeter Wasser in den Rothsee - sie passieren dabei die kontinentale Wasserscheide. Technisch erledigt diese Aufgabe das Wasser- und Schifffahrtsamt Nürnberg. Über das Reservesystem Brombachsee gelangen jährlich weitere 25 Millionen Kubikmeter Wasser über die schwäbische Rezat in die Rednitz und denMain.

Von einer regionalen Einbahnstraße, von der allein Nordbayern profitiere, kann nach Besners Einschätzung dennoch nicht die Rede sein. Spätestens bei Winter- oder Frühjahrshochwassern wende sich das Blatt. Dann käme neben dem Wasserpuffer Altmühlsee auch der Wasserspeicher Brombachsee ins Spiel. Beide bändigten die Altmühl und Wieseth auf ihrem Weg in die Donau.

Wie wichtig die Wasserrückhaltefunktion des fränkischen Seenlandes etwa für Südbayern ist, zeigen nach Besners Angaben gelegentliche Anrufe des Wasser- und Schifffahrtsamtes Regensburg: »Die weisen mich dann darauf hin, dass man in Regensburg bereits mit zwei Hochwasserwellen rechnet. Wir mögen doch bitte die Altmühl aufstauen, um eine dritte Hochwasserwelle zu verhindern.«

Naturschützer beurteilen trotz der gerade in Trockenperioden wichtigen Ausgleichsfunktion das Wasserüberleitungssystem skeptisch. Noch immer beklagen sie die gewaltigen Landschaftseingriffe beim Bau des Main-Donau-Kanals. Der Landesbeauftragte des Bundes Naturschutz in Bayern (BN), Richard Mergner, bezweifelt bis heute die Notwendigkeit der aufwendigen Schifffahrtsstraße zwischen Main und Donau. Für die Wasserüberleitung von Donauwasser ins trockene Nordbayern sei der Kanal jedenfalls nicht notwendig gewesen. »Das hätte man auch mit einer normalen Druckwasserleitung machen können, ohne das Altmühltal zerstören zu müssen«, sagt Mergner. dpa/nd

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