Vom Naturalgeld zur Griechenlandkrise

Klaus Müllers neues Buch beschreibt die Entstehung der Zahlungsmittel und die Probleme, die daraus entstehen

  • Klaus Steinitz
  • Lesedauer: 3 Min.
Die gesamte Wirtschaft basiert auf Geld. Die Folgen für die Gesellschaft werden vor allem von Linken diskutiert.

Es gibt wohl kaum eine ökonomische Kategorie, die so wichtig für Wirtschaftsentwicklung und soziale Beziehungen und zugleich so umstritten ist wie das Geld. Das gilt für sein Wesen, seine Funktionen sowie seine Entstehung und Entwicklung. Die mit dem Geld verknüpften Probleme kommen aktuell sehr anschaulich in der Griechenlandkrise und den gegensätzlichen Lösungsvorstellungen zum Ausdruck.

Die Auseinandersetzungen um eine richtige Erklärung des Geldes und seiner gesellschaftlichen Rolle bilden seit einigen Jahrhunderten einen immanenten Bestandteil der Entwicklung der ökonomischer Theorie. Nun liegt das Buch des Volkswirtschaftlers Klaus Müller »Geld - Von den Anfängen bis heute« vor, das für den Fortgang dieser Auseinandersetzungen eine wichtige Rolle spielt. Die Publikation kann als gelungener Versuch einer modernen, auf der Höhe der Zeit stehenden Geldtheorie angesehen werden. Sie beruht auf den Marx’schen Erkenntnissen zu Ware, Wert und Geld. Müller versteht es überzeugend, die von Marx geforderte Einheit von Historischem und Logischem in seinen Darlegungen über die Entwicklungsstufen der Wertformen anzuwenden.

Interessant ist eine Übersicht der Geldentwicklung in zehn Stufen. Die ersten beiden - die einfache und die totale Wertform - umfassen den Zeitraum des Jungpaläolithikums (40 000 bis 10 000 Jahre v.u.Z). Die dritte Stufe behandelt die allgemeine Wertform - Naturalgeld und andere Geldvorläufer -, und erstreckt sich über den Zeitraum von 10 000 bis 2500 Jahre v.u.Z. Die Herausbildung der Geldform als vierte Stufe endet mit dem Jahr 625 v.u.Z., die fünfte bildet die Münze als Geld ab und endet im 12. Jahrhundert. Danach beginnt die Zeit des Wechsels, der ersten Form des Kreditgeldes.

Die Stufen sieben bis zehn sind mit der Entwicklung des Kapitalismus bis zur Gegenwart verbunden, Müller schreibt über konvertible Banknoten, das Buchgeld ab dem 16. Jahrhundert, unkonvertierbares Papiergeld ab dem 17. Jahrhundert, bis hin zum elektronischen Geld in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die Darstellung der historischen Entwicklung des Geldes und seiner Vorstufen mit vielen konkreten Beispielen aus mehreren Jahrtausenden und vier Erdteilen, ist in diesem Umfang einmalig.

Müller setzt sich überzeugend mit Auffassungen auseinander, die die Entstehung des Geldes als einen mythischen, übernatürlichen Prozess auffassen. Er weist nach, dass die Entwicklung des Geldes vielmehr unzertrennlich mit der Warenproduktion, dem -austausch und der gesellschaftlichen Arbeitsteilung verbunden ist.

Im Buch nehmen auch die aktuellen Probleme und Widersprüche der Geldentwicklung sowie die Nutzung der Geldinstrumente zur Durchsetzung neoliberaler Wirtschaftspolitikeinen wichtigen Platz ein. Dazu gehören Börsenspekulation, Inflation, Staatsschulden und Schuldenbremse, internationale Währungsbeziehungen oder die Versuche, den Konjunkturzyklus durch Zins- und Geldmengenpolitik zu beeinflussen. Dem Leser wird geholfen, sich in der verwirrenden Welt komplizierter, kaum durchschaubarer finanzpolitischer Operationen, die von Experten oft völlig entgegengesetzt erklärt werden, etwas besser zurechtzufinden.

Klaus Müller ist ein recht streitbarer Ökonom. Er setzt sich mit Auffassungen anderer Ökonomen auseinander, sowohl marxistischen oder neomarxistischen als auch mit bürgerlichen Ökonomen, die Anhänger neoklassischer und neoliberaler Theorien oder von Keynes’ Geldtheorie sind. Es gibt kaum ein relevantes Problem in den aktuellen Diskussionen um geldpolitische Fragen, das Müller nicht aufgreift. Auch wenn man nicht in allen Punkten seiner Argumentation folgt, so sind seine Polemiken doch stets für die weitere Erörterung umstrittener Probleme beachtenswert.

Klaus Müller hat ein anspruchsvolles und anregendes Buch vorgelegt, dessen Inhalt in den weiteren Auseinandersetzungen der Linken um das Geld, seinen Inhalt und seine Funktionen sowie um seine ökonomischen, sozialen und politischen Implikationen nicht außer Acht gelassen werden kann.

Klaus Müller: Geld - Von den Anfängen bis heute, Ahriman-Verlag, Freiburg 2015, 572 Seiten, 27,80 Euro

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