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Auf dem Trockenen

Klimawandel und veränderte Bodennutzung lassen weltweit das Wasser knapp werden. Neue Tiefbrunnen und Entsalzungsanlagen verschärfen die Probleme. Von Susanne Aigner

  • Susanne Aigner
  • Lesedauer: 8 Min.

Die Hitze und Trockenheit der vergangenen Wochen hinterließen in Deutschland ihre Spuren: Große Flüsse verwandelten sich in dünne Rinnsale, kleinere Flüsse trockneten zeitweise ganz aus. Die Folgen für die Landwirtschaft sind gravierend. Nach Angaben des Deutschen Bauernverbandes (DBV) werden dieses Jahr elf Prozent weniger Getreide geerntet als im Vorjahr. Auch in der benachbarten Schweiz brachte die Trockenheit im Frühsommer Ertragsverluste mit sich. Und in Hessen, wo es bereits im Frühjahr zu wenig regnete, setzte die Sommertrockenheit auch die Weinreben unter Dürrestress. Laut einem aktuellen Bericht der Bundesregierung stieg die Anzahl der heißen Tage mit über 30 Grad in Deutschland von drei auf acht.

Als es Mitte August in Deutschland endlich zu regnen begann, konnte die harte, ausgetrocknete Erde das Wasser nicht mehr aufnehmen: Vielerorts wurden Straßen und Keller regelrecht überflutet. Überschwemmungen bei Starkregen sind allerdings auch eine Folge der Bebauung von Ackerland: Allein in Deutschland wird täglich die Fläche von rund 100 Fußballfeldern zubetoniert.

Degradierte Böden

Die zunehmende Trockenheit in vielen Teilen der Welt wirkt sich vor allem auf die Böden aus. So ist nach Angaben des Potsdamer Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS) bereits ein Viertel der globalen Landoberfläche schwer beeinträchtigt. Jedes Jahr gehen rund 20 Milliarden Tonnen Boden verloren, erklärt IASS-Exekutivdirektor Klaus Töpfer. In Südeuropa, wo das Wasser immer knapper wird, nimmt zugleich der Druck auf das Land durch Flächenversiegelungen, Intensivlandwirtschaft und Küstenbebauung stetig zu. In den Dürreperioden, die Spanien immer öfter heimsuchen, sinkt das Wasser in den Stauseen um über die Hälfte. Schuld daran seien nicht allein die subventionierten Wasserpreise, erklärt Michaela Schmitz vom Bundesverband Energie- und Wasserwirtschaft, sondern auch die EU, die mit ihrer Förderpolitik den Anbau wasserintensiver Kulturen unterstützt. 80 Prozent des verfügbaren Wassers in Spanien werden in der Landwirtschaft verbraucht. Das spanische Umweltministerium schätzt, dass aus einer halben Million illegal gebohrten Brunnen - mancherorts bis zu 1200 Meter tief - Wassermengen entnommen werden, die den Bedarf für 60 Millionen Menschen decken könnten. In der Folge sinkt der Grundwasserspiegel dramatisch. Zum Beispiel im Obst- und Gemüseanbaugebiet Huelva/Andalusien, wo allein die Erdbeerfelder jährlich 20 Millionen Kubikmeter Wasser verbrauchen, ein Drittel der verfügbaren Wasserressourcen. Glaubt man der Umweltschutzorganisation NABU, sank der Grundwasserspiegel dort seit den 1980er Jahren um gut 30 Meter. Von den 200 000 Tonnen Erdbeeren geht die Hälfte in den Export, ein großer Teil davon nach Deutschland.

Der Raubbau am Wasser schlägt zurück: In der Obstanbauregion Valencia schreitet die Wüstenbildung im ohnehin trockenen Hinterland voran. Mehr als 40 Prozent der spanischen Böden sind verödet, 20 Prozent sind anderweitig geschädigt, fünf Prozent irreversibel. Eine Ursache ist die Rodung küstennaher Wälder, welche früher als Wasserspeicher dienten und riesigen Hotelanlagen weichen mussten.

Mittelmeerraum von Wüstenklima bedroht

Jonathan Gómez Cantero, Mitglied im Weltklimarat (IPCC), skizzierte in einer Studie für die Grünen im Europaparlament, wie sich die Iberische Halbinsel unter dem Einfluss des Klimawandels verändern könnte: Ausgehend von einem durchschnittlichen Temperaturanstieg von 4 bis 5 Grad Celsius werde sich demnach das mediterrane Klima in rund zwei Dritteln des Mittelmeerraumes bis 2050 in Wüstenklima verwandeln, wie es heute für Marokko typisch ist. Langfristig bedeute dies das Ende des Anbaus von Zitrusfrüchten, Wein und Oliven zumindest im südlichen Spanien. Schon heute sind die jährlichen Niederschläge in Südeuropa seit 1950 im Schnitt um 25 bis 50 Millimeter zurückgegangen. So war der Winter 2011/12 in Spanien der trockenste seit 70 Jahren. Im darauf folgenden Sommer fiel die Getreideernte um bis zu 40 Prozent geringer aus.

Entsalzungsanlagen gewinnen Süßwasser

Auf Zypern herrscht bereits ein Steppenklima mit häufigen Dürren. Zwar liefern zahlreiche Talsperren Wasser. Doch die Speicher auf der Insel reichen nicht aus, um alle zu versorgen. Zwei Drittel aller Obstbauern mussten wegen Wasserversalzung bereits aufgeben. Im Süden holen die Kartoffelbauern das salzhaltige Wasser aus dem Boden und vermischen es mit Wasser aus der Talsperre. Inzwischen wurden rund 50 000 illegale Brunnen angelegt. Fünf Entsalzungsanlagen sollen das Problem nun lösen. Ihr Nachteil: Sie verbrauchen viel Energie und emittieren noch mehr Kohlendioxid. Zudem stört ihr Abfallprodukt - hoch konzentrierte Salzlake - die Meeresbiotope vor der Küste. Die Anlagen sollten nur mit klimaneutralen Energiequellen betrieben werden, fordert Manfred A. Lange vom Cyprus-Institut, auch müsse Wasser effizienter genutzt werden, zum Beispiel durch Sammeln von Regenwasser. Immerhin werden nun Wasseraufbereitungsanlagen in privaten Haushalten - mit EU-Geldern - eingerichtet.

Wasserknappheit in Asien

Das mongolische Hochplateau ist mit 2,75 Millionen Quadratkilometern etwa acht Mal so groß wie Deutschland. Die artenreichen Grassteppen und Seenlandschaften bieten die traditionelle Lebensgrundlage für die Nomaden und ihre Tierherden. Doch die Seen trocknen allmählich aus. So sank der Anteil der Gewässer mit mehr als 20 Quadratkilometern Fläche seit 1990 um über 30 Prozent. Die Ursachen liegen unter anderem in einer Intensivierung der Landwirtschaft, die zu viel Wasser verbraucht. Hinzu kommt der Abbau von Kohle, Öl, Kupfer und Gold, der laut Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe zur Austrocknung der Landschaft beiträgt. So zerstöre der zunehmende Bergbau in der Mongolei mit Beginn der 1990er Jahre immer mehr Landschaft. »Weil der Grundwasserspiegel sinkt und Flüsse austrocknen, nehmen Sand- und Staubstürme in der Grassteppe zu«, erklärt die Forscherin Lena Horlemann, die die Wasserressourcen in der Mongolei untersuchte. Dadurch werde die Austrocknung noch beschleunigt.

Laut einer Studie des Natural Resources Forum von 2014 gehen weltweit täglich 2000 Hektar fruchtbares Ackerland durch Versalzung verloren. Ursache sei vor allem die Bewässerung. Betroffen sind weltweit 20 Prozent der bewässerten landwirtschaftlichen Flächen, rund 62 Millionen Hektar. Den ökonomischen Schaden durch die Bodendegradation beziffern die Forscher mit jährlich 27,3 Milliarden US-Dollar.

Beispiel Aralsee: Um Getreide- und Baumwollfelder zu bewässern, wurden einst 90 Prozent des Wassers der Flüsse Syrdarja und Amudarja entnommen, sodass im See kaum noch Wasser ankam. Der ist bei steigendem Salzgehalt im südlichen Teil praktisch ausgetrocknet und hat sich auf einem Bruchteil der Fläche im Norden stabilisiert. Ähnliches passiert an Indus und Ganges, am Gelben Fluss in China, im Gebiet zwischen Euphrat und Tigris im Irak, im australischen Murray-River-Becken sowie im San-Joaquin-Valley in den USA.

Wasser - teurer als Öl und Gold

Normalerweise kommt Kaliforniens Wasser aus der Schneeschmelze in der Sierra Nevada. Doch die Erwärmung bringt mehr Regen als Schnee und lässt die dünne Schneedecke immer früher abschmelzen. Die Kanäle, die das Wasser aus den Bergen ins Tal führen, sind ausgetrocknet, Flüsse und Seen zu Rinnsalen geschrumpft. Hinzu kommen häufige Waldbrände. Seit 2012 sind die typischen Winterregen ausgeblieben. Die Regierung ordnete an, den Wasserverbrauch um 25 Prozent zu senken und die Bewässerung von Rasenflächen einzustellen.

Das Central Valley ist mit 700 Kilometern Länge und 100 Kilometern Breite das weltgrößte Anbaugebiet für Orangen, Zitronen, Avocados, Weintrauben, Möhren und Mandeln. 80 Prozent des Wassers werden in die Landwirtschaft gepumpt. So verbraucht die Produktion von nur einer Mandel 3,6 Liter Wasser.

Der Wassermangel hat auch unerwartete Gewinner: die Ölkonzerne. Chevron etwa verkauft inzwischen mehr Wasser als Öl. Viele Farmer lassen teuer nach Grundwasser bohren - bis zu 150 Meter tief. Die Folge: Der Grundwasserspiegel sinkt.

Amerikanische Wissenschaftler rechnen vor, dass es in den vergangenen zwei Jahrzehnten mehr Dürrejahre gegeben hat als im Jahrhundert davor. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit für eine Erwärmung bei noch weniger Niederschlägen. Benjamin Cook, Klimaforscher am Goddard Institute for Space Studies der US-Raumfahrtbehörde NASA, erklärt in einer Studie, dass mit steigenden Temperaturen die Verdunstung zunimmt und die Böden noch schneller austrocknen. Für die Jahre 2050 bis 2100 sagt er besonders große Dürren voraus. Und selbst wenn es etwas mehr regnen sollte, machen gleichzeitig steigende Temperaturen eine Dürre wahrscheinlicher, weil sich dann auch die Verdunstungsrate erhöht, gibt Steven Sherwood von der University of New South Wales in Australien zu bedenken.

Höherer Wasserverbrauch durch Exportlandwirtschaft

Weltweit verbraucht die Exportlandwirtschaft mit wasserintensiven Kulturen wie Weizen, Baumwolle oder Obst 70 Prozent des verfügbaren Wassers. So werden in Brasilien gigantische Zuckerrohr- und Sojafelder bewässert, zumeist mit Flusswasser. Selten reicht es dann noch für die Felder der Kleinbauern. Einem Bericht des Deutschen Wetterdienstes zufolge wird sich die Trockenheit auch im Südosten Brasiliens weiter verschärfen. Ein Hauptgrund: die massive Abholzung des Regenwaldes. Dessen Blätter verdunsten täglich 20 Milliarden Tonnen Wasser, die über Amazonien und São Paulo wieder abregnen. Das Verschwinden des Regenwaldes und der verringerte Abfluss von Schmelzwasser aus den Gletschern werden die Dürren in Ländern wie Peru verstärken.

Auch die Bevölkerung in den zentralen Anden Perus und Boliviens ist von Wasserknappheit bedroht. Ein internationales Forscherteam an der Universität Zürich prognostiziert abnehmende Niederschläge um bis zu 30 Prozent bis zum Ende des Jahrhunderts. Die Wissenschaftler verglichen Daten, die sie aus 1000 Jahre alten Baumringen und Eisbohrkernen gewannen, mit aktuellen Messdaten der Gegenwart und Modellrechnungen für die Zukunft. »Unsere Simulationen legen nahe«, so Raphael Neukom, Mitverfasser der Studie, »dass die Wahrscheinlichkeit für trockene Jahre zwischen 2071 und 2100 viermal höher sein wird als in der vorindustriellen Zeit.« Einen großen Anteil daran haben die Westwinde in der oberen Troposphäre, die durch den Anstieg von Treibhausgasen zunehmen und den Zufluss feuchter Luft vom Amazonas in die Anden verhindern. Als Anpassungsmaßnahme werden bereits künstliche Teiche getestet, die das Regenwasser effizienter sammeln. Auf diese Weise können lange Dürrezeiten besser überbrückt werden.

Weiterführende Literatur:

Zum Jahr der Böden: Bodenatlas 2015, www.boell.de/bodenatlas.

Das importierte Risiko. WWF-Studie über Wasserverfügbarkeit in Deutschland. Juli 2014.

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