nd-aktuell.de / 25.08.2015 / Kommentare / Seite 4

König Tillich

PERSONALIE

Robert D. Meyer

Gäbe es einen Wettbewerb unter den Ländern um den Titel des unsympathischsten Bundeslandes, Sachsen wäre Favorit auf die unrühmliche Auszeichnung, für die sich der Freistaat schämen müsste. Dresden, Schneeberg, Hoyerswerda, Meißen, Freital und jetzt Heidenau - seit Monaten dominiert Sachsen die Schlagzeilen, rassistische Stimmungsmache ist zwischen Lausitz und Erzgebirge an der Tagesordnung. Keine Panikmache, wie die Statistik zeigt: Von 202 Übergriffen auf Asylunterkünfte im ersten Halbjahr entfielen 42 auf Sachsen. Ein Freistaat mit vier Millionen Menschen, darunter einem Ausländeranteil im niedrigen einstelligen Prozentbereich. Die «Zeit» forderte in dieser Gemenglage nicht ganz ernsthaft den Ausschluss Sachsens aus der Bundesrepublik. Solch ein «Säxit» klingt polemisch, berührt aber die Frage: «Liebe Sachsen, was ist in euch gefahren?

Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) zieht sich derweil auf die Haltung zurück: »Das ist nicht unser Sachsen.« Der 57-Jährige übt sich in Realitätsverweigerung, tut so, als würde seine Partei nicht seit 25 Jahren im Freistaat regieren, wovon er die letzten sieben selbst verantwortet. In dieser Zeit tat sich der aktuell dienstälteste Ministerpräsident der Republik und CDU-Landesvorsitzende in Personalunion nicht als Vorreiter eines antifaschistischen Freistaates hervor. Im Gegenteil: Innerhalb der Christdemokratie ist der sächsische Verband in vielen Fragen besonders konservativ, »Law & Order« statt Aufklärung ist das Mittel der Wahl. Nicht nur in den Reihen der Landtagsfraktion sitzen Vertreter, die den äußersten rechten Flügel repräsentieren, wo Asylhetze nur im ersten Moment nicht so klingt, um sich von der AfD zu unterscheiden.

Dass die Brandstifter in den eigenen Reihen zündeln, ist Tillich - glaubt man seinen Worten zu Heidenau - offenbar ebenso entgangen wie die in einigen Regionen seit Jahren stabil bei über 20 Pozent liegenden Wahlergebnisse von Parteien rechts der CDU. Der Ministerpräsident kennt die Sachsen so schlecht wie ein König in seiner Trotzburg. Heidenau war kein Ereignis einer Minderheit.