Unternehmer sehen Gewerkschaften als Feind

Die Juristin Yessika Hoyos über die Einschüchterung von Arbeitnehmervertretern in Kolumbien

  • Lesedauer: 3 Min.

Seit knapp drei Jahren wird in Havanna zwischen der FARC-Guerilla und der kolumbianischen Regierung über ein Friedensabkommen verhandelt. Ist es seitdem ruhiger geworden, gibt es weniger Gewalt gegen Linke und Gewerkschafter?

Die Gewalt ist in Kolumbien nach wie vor präsent, es haben sich die Methoden verändert, nicht aber die Gewalt als solche.

Warum?

Weil nach wie vor Verbrechen von Seiten der Paramilitärs, der Guerilla und des Staates - des Staates als solchem, verübt werden. Es gibt keine Politik, den Sektoren, die organisiert sind, den Garaus zu machen. Es ist riskant, sich gegen die Klassen zu wenden, die dieses Land dominieren.

Welchen Status haben die Gewerkschaften in Kolumbien?

Die Arbeit der Gewerkschaften in Kolumbien wird nicht geschätzt. Sie wird nicht positiv wahrgenommen. Die Gewerkschaften in Kolumbien haben keinen Status, sie werden stigmatisiert, werden ausgeschlossen, rausgedrängt - in allen Bereichen und mit allen Instrumenten. Nicht nur durch Verfolgung, Ermordung, Bedrohung, sondern auch durch Ignoranz, die Anwendung von Gesetzen zu ihrem Nachteil.

Die kolumbianische Regierung hat vor vier Jahren einen Aktionsplan zum Schutz der Gewerkschaften mit den USA vereinbart - vor dem Abschluss des Freihandelsabkommens. Hat er einen positiven Effekt gehabt?

Ich glaube nicht, dass es mehr Aufmerksamkeit von Seiten des Staates gibt. Wenn man die Gewerkschafter interviewt, dann sagen sie, dass die staatlichen Schutzinstrumente kaum funktionieren. Ein Beispiel ist die Abteilung für Personenschutz, wo es Korruptionsfälle gab und wo bedrohte Gewerkschafter gerade mal ein Notfallhandy bekommen und eine kugelsichere Weste - allerdings oft auch zu klein.

Auf der anderen Seite hat der internationale Druck einen Effekt gehabt - ich denke, dass man die Methoden geändert hat: Heute ist die Order nicht mehr, Morde zu verüben, sondern einzuschüchtern, anzufeinden, in Angst zu versetzen. Es gibt noch Attentate, die aber nicht immer zwingend den Tod bewirken sollen. Der Effekt ist aber kaum ein anderer - die permanente Verfolgung sorgt dafür, dass sich jeder Arbeiter genau überlegt, ob er sich einer Gewerkschaft anschließt oder nicht. Das Risiko ist da, die Abschreckung groß ...

Es hat den Anschein, als gäbe es eine konkrete Strategie, um die Gewerkschaftsbewegung in Kolumbien zu schwächen.

Dem stimme ich zu: Die Unternehmer, die die Gewerkschaften nicht als Partner in den Tarifkonflikten, als legitimen Gegenpart akzeptieren wollen, stehen bei dieser Strategie in der ersten Reihe. Für viele Unternehmer ist die gewerkschaftliche Organisation nach wie vor der Feind, der Gegner, das Schlimmste, was ihrem Unternehmen überhaupt passieren kann.

Das ist ein Stereotyp, ein weit verbreitetes Vorurteil, das auch dazu geführt hat, dass die Mechanismen zum Schutz der Gewerkschaften alles andere als effektiv sind. Das färbt auch auf die multinationalen Unternehmen ab, die sich in anderen Ländern an die internationalen Standards halten, aber in Kolumbien nicht. Sie sparen viel Geld und argumentieren einfach, dass es in ihrem Unternehmen keine Gewerkschaft gibt; aber weshalb wird erst gar nicht gefragt. Da wird eine Spirale nach unten reglementiert, denn an formale Arbeitsgesetze hält man sich nicht, weil es die anderen auch nicht machen.

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