Kinder besser schützen

Ab Januar wird es in vier Berliner Kliniken spezielle Ambulanzen geben

  • Christian Baron
  • Lesedauer: 2 Min.
Am Dienstag beschloss der Senat, das bestehende »Netzwerk Kinderschutz« enger zu knüpfen und vier ambulante Stationen einzurichten, um der Kindswohlgefährdung vorbeugen zu können.

Zwischen Zivilcourage und Denunziantentum ist der Grat manchmal schmal. Vor allem beim Thema Kindeswohl: Wenn sich die nebenan häufiger zu vernehmenden Kinderschreie und das darauf folgende Erwachsenenbrüllen nach der durch lauschende Nachbarn erfolgten Anzeige beim Jugendamt als Ausdruck familiärer Spielfreude entpuppen und die blauen Flecken an den Armen der Nachbarstochter nicht auf einen gewalttätigen Vater, sondern auf das letzte Fußballspiel zurückzuführen sind, dann ist das peinlich - und es verhindert einen effizienten Einsatz der Ressourcen des Jugendamtes.

Von den monatlich rund 200 Hinweisen, die im vergangenen Jahr über die im Rahmen des »Netzwerks Kinderschutz« eingeführte Hotline des Kindernotdienstes eingingen, liefen die meisten ins Leere. Jugendsenatorin Sandra Scheeres (SPD) freut sich einerseits, dass dieses Angebot so gut angenommen wird. Andererseits habe sich gezeigt, dass das Netzwerk »verbessert und enger geknüpft werden muss«. Gemeinsam mit ihren beiden Senatskollegen Mario Czaja (Gesundheit, CDU) und Thomas Heilmann (Justiz, CDU) präsentierte sie am Dienstag im Roten Rathaus das Konzept zur »flächendeckenden Versorgung der Stadt mit medizinisch-psychologisch-sozialpädagogischen Anlaufstellen für die Bewertung von Kindswohlgefährdungen«.

Demnach sollen bis Januar 2016 in Berliner Kinderkliniken insgesamt vier Kinderschutzambulanzen eingerichtet sein. Diese werden sich nicht an Bürger richten, die Verdachtsfälle ausgemacht zu haben glauben, sondern ausdrücklich an Fachkräfte wie Jugendamtsmitarbeiter, Sozialarbeiter oder Kinderärzte, wie Scheeres sagte: »Im Zuge von Gefährdungseinschätzungen gibt es immer wieder Grenzfälle, in denen es Fachkräften schwerfällt, eine Kindswohlgefährdung zweifelsfrei festzustellen.« Mit den Ambulanzen, ergänzte die Senatorin, entstünden nun »Kompetenzzentren, in denen speziell geschultes Personal künftig in Zweifelsfällen mehr Klarheit schaffen kann«.

Gesundheitssenator Czaja teilte mit, dass für jede der regionalen Kinderschutzambulanzen eine koordinierende Krankenschwester bzw. ein Krankenpfleger eingestellt werde. Er sieht in den Einrichtungen »ein unverzichtbares Bindeglied zwischen der Kinder- und Jugendhilfe und dem Gesundheitssystem«. Im Hinblick auf eventuell später anstehende Gerichtsverfahren erscheint es wiederum Justizsenator Heilmann wichtig, bei Verdacht »eine zeitnahe Sicherung von Misshandlungs- und Missbrauchsspuren« zu gewährleisten.

Heilmann begreift die Kinderschutzambulanzen als sinnvolle Ergänzungen der bereits existierenden Gewaltschutzambulanz, an die sich erwachse Familienmitglieder wenden können. Ab kommendem Jahr soll sie am Virchow-Klinikum im 24-Stunden-Betrieb laufen, falls die Verhandlungen mit dem Bundesgesundheitsministerium ergeben, dass die Leistungen von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden.

Die Kosten für die Kinderschutzambulanzen, für deren Beherbergung sich acht Kinderkliniken beworben haben, belaufen sich für 2016 und 2017 auf insgesamt knapp eine Million Euro. An welchen Standorten die Ambulanzen eingerichtet werden, entscheidet sich nach Begehungen in den kommenden Wochen.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal