nd-aktuell.de / 15.12.2001 / Brandenburg

Am 8. Chanukka-Tag geht im Gemeindehaus das Licht an

Juden von Frankfurt (Oder) erhalten Zentrum

Jörg Schreiber
Im frisch geweißten Arbeitszimmer von Mark Perelman hängt die Kopie eines Schriftstücks aus dem Jahr 1294: Darin sichert der Frankfurter Rat den Juden das Recht zu, nach ihrer Art zu schlachten. Das ist eines der ältesten Dokumente im Stadtarchiv überhaupt, erläutert der Vorsitzende der 1998 wieder gegründeten Jüdischen Gemeinde der Oderstadt. Das Schriftstück zeugt davon, dass hier schon vor über 700 Jahren Juden lebten. »Es ist ein gewisses Symbol, dass wir jetzt nur 200 Meter von der ersten jüdischen Siedlung entfernt unser Gemeindezentrum einweihen können«, sagt Perelman. Am Sonntag- dem achten Tag des Lichterfestes Chanukka- übergibt Oberbürgermeister Wolfgang Pohl (SPD) einen prachtvollen Schinkelbau an die östlichste Gemeinde Deutschlands, eine von sieben im Land Brandenburg. Ihr gehören hauptsächlich Einwanderer aus der früheren Sowjetunion an. »Mittlerweile haben wir 150 Mitglieder«, sagt der selbst aus der Ukraine kommende Perelman. Zusammen mit den Familienangehörigen lebten wieder mehr als 200 Juden in Frankfurt. Fünf Kinder seien hier geboren. Stolz führt der Vorsitzende durch die frühere Fabrikantenvilla, die zuletzt die näher an die Grenze gezogene Euro-Kita beherbergte. Die jüdische Gemeinde renovierte das mehrstöckige Gebäude in den vergangenen Monaten mit Hilfe der Stadt und des Internationalen Bundes für Sozialarbeit. Die Sanierung erfolgte mit minimalem Geldeinsatz, sagt Frankfurts Sozialbeigeordneter Martin Patzelt (CDU). Die Stadt trägt die Betriebskosten. Perelman zeigt auf den großen Veranstaltungssaal, die Bibliothek und oben in der ersten Etage einen Raum für Gespräche mit Gästen und zwei Büros. Und dann öffnet er die Tür zum Herzstück des Hauses, dem Gebetssaal. Die Stühle stammen aus einer Leipziger Synagoge. Die weitgehend mittellose Gemeinde bekam außerdem alle Möbel und mehrere Computer geschenkt. Hinten im Saal hängt ein Bild von der in der Pogromnacht 1938 zerstörten Frankfurter Synagoge. Perelmann hofft, dass irgendwann wieder ein Gebetshaus gebaut wird. Doch jetzt freut er sich erst einmal über das neue Gemeindezentrum. Die Zeit der Provisorien in engen Räumen ist vorbei. Perelman will vor allem Schulklassen in das neue Gemeindezentrum bitten. Viele Schüler wüssten zu wenig, nicht nur über die jüdische, auch über die deutsche Geschichte. Außerdem träumt der Gemeindevorsitzenden von einem Museum, das mit dem jüdischen Leben in Frankfurt (Oder) und ganz Brandenburg vertraut macht. Im Dachgeschoss sei noch Platz dafür.ddp