nd-aktuell.de / 02.09.2015 / Ratgeber / Seite 23

Gehört Duschen zur Arbeitszeit?

Klage über zwei Instanzen von Arbeitsgerichten

David Fischer
Wenn er sich duscht oder umzieht, dann ist das für den Kfz-Mechaniker B. Teil der Arbeitszeit. Also sollte er dafür auch bezahlt werden, meint er. Sein Arbeitgeber sieht das anders - nun trafen sich beide Streitparteien vor Gericht.

Seit fast 20 Jahren arbeitet B. als Kfz-Mechaniker für die Stadtwerke Oberhausen. Dort repariert er in einer Werkstatt Busse. Dabei flickt er unter anderem unter den Fahrzeugen Schläuche zusammen. Eine Umgebung, in der Ölgeruch so unvermeidlich ist wie Spritzer von Diesel oder Kühlmittel.

Früher stopfte er die verschmutzte Arbeitskleidung zu Hause in die Waschmaschine und bekam eine Pauschale als Waschgeld. Seit der Betrieb eine Firma engagiert, die sich um die Reinigung kümmert, muss der Mann seine Arbeitskleidung vor Ort ablegen - und damit länger bleiben.

Länger bleiben, das heißt: morgens die Latzhose, Jacke, das T-Shirt anziehen, nach Feierabend die verschmutzte Kleidung ausziehen und Duschen. 20 Minuten braucht er dafür nach seiner Rechnung, gibt der Mann an. 20 Minuten, die in der Lohnabrechnung aber nicht auftauchen. Denn für das Umziehen und Duschen ihrer Mitarbeiter wollen die Stadtwerke nicht aufkommen.

Ende vergangenen Jahres reichte der Kfz-Mechaniker mit 15 anderen Klage vor dem Arbeitsgericht Oberhausen (Az. 3 Ca 1700/14) ein und setzte sich dort durch.

Daraufhin landete der Fall in zweiter Instanz vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf, wo es am 4. März 2015 (Az. 9 Sa 425/15) zum salomonischen Richterspruch kam: Die beiden Streitparteien einigten sich gütlich. Der Mechaniker bekommt die Hälfte seiner Forderung nachbezahlt, also den Lohn für die zehn Minuten, die er täglich für das An- und Ausziehen seiner Arbeitskleidung in sieben Monaten benötigt hatte - insgesamt 375 Euro. Für das Duschen bekommt er dagegen kein Geld.

Was ist Arbeitszeit, was ist Privatvergnügen?

»Wir haben es mit einem Pilotverfahren zu tun«, sagte der Vorsitzende Richter. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts regele, wann Umziehen zum Job zählt. Dies sei etwa der Fall, wenn Arbeitskleidung aus Gründen der Hygiene oder des Arbeitsschutzes notwendig sei oder die Montur nicht privat getragen werden dürfe. Allein diese Richtlinien seien aber branchenübergreifend schwierig zu bewerten.

Noch schwieriger sei das Duschen, erklärte der Richter. Hierzu gebe es keine gesicherte Rechtsprechung. Ab wann darf man duschen? Beginnt Verschmutzung beim bloßen Schweißgeruch? Sind zehn Minuten duschen zu lange?

Die Stadtwerken Oberhausen könnte das Verfahren teuer zu stehen kommen. Denn die Entscheidung soll auf alle weiteren 15 Fälle übertragen werden. Gegen den Beschluss der gütlichen Einigung bis zur endgültigen Rechtskraft können allerdings beide Seite Widerspruch einlegen. dpa/nd