Sind acht Stunden genug?

Streit um starre Regeln zur Arbeitszeit

  • Lesedauer: 3 Min.
Starre Arbeitszeiten passen nicht mehr in die durchdigitalisierte Arbeitswelt, finden die Arbeitgeber.

Acht Stunden Arbeit täglich - so steht es im Arbeitszeitgesetz von 1994. Nun haben die Arbeitgeber eine Reform dieses Gesetzes verlangt, die der digitalisierten und globalisierten Arbeitswelt entspricht.

Was ist der ursprüngliche Sinn der Arbeitszeitregeln?

Es geht um den Schutz der Arbeitnehmer. Wöchentliche Arbeitszeiten von deutlich mehr als 40 Stunden schaden der Gesundheit und auch der Arbeitssicherheit, sind sich Arbeitsmediziner sicher. Zahlreiche Studien hätten Zusammenhänge zwischen langen Arbeitszeiten und gesundheitlichen Problemen wie Magen-Darm-Beschwerden, Rückenschmerzen oder Stressempfinden ermittelt, berichtet die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) in Dortmund. Statt körperlicher Erholung von Schwerstarbeit steht inzwischen der Abbau psychischer Belastungen im Vordergrund der arbeitsmedizinischen Forschungen.

Entspricht das Arbeitszeitgesetz noch der Realität der Arbeitswelt?

Sicherlich längst nicht mehr komplett, denn Hunderttausende Arbeitnehmer haben mit der zunehmenden Digitalisierung ihrer Jobs erlebt, wie die einst selbstverständliche Grenze zwischen Arbeit und Freizeit immer weiter geschwunden ist. Die schnelle Mail am Abend, die Videokonferenz am freien Tag, der dringende Anruf zu jeder Zeit gehören vor allem für Angestellte längst zum Alltag. Einzelne, stark mitbestimmte Unternehmen haben zwar »Off«-Zeiten für ihre Mitarbeiter definiert. Doch auf der anderen Seite wächst in der globalisierten Arbeitswelt die Zahl von (schein)selbstständigen »Crowdworkern«, die ohne Mindestlohn oder soziale Schutzvorschriften Aufträge von IT-Plattformen abarbeiten. Klassische Acht-Stunden-Jobs finden sich noch häufig in der Produktion oder auch in öffentlichen Verwaltungen.

Was wollen nunmehr die Arbeitgeber?

Konkret setzen sie sich für eine an der EU-Arbeitszeitrichtlinie orientierte Höchstgrenze für die Wochenarbeitszeit von 48 Stunden ein, die an die Stelle der deutschen Acht-Stunden-Regel für den Einzeltag treten solle. Details etwa zu Arbeitszeitkonten und zu den Bedingungen von Heimarbeit sollten vorzugsweise auf betrieblicher Ebene geregelt werden.

Der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) geht noch weiter: Er spricht sich gegen gesetzliche Regeln zur Bekämpfung psychischer Belastungen (Stress) aus und will den bestehenden Arbeitsschutz auf keinen Fall auf »Crowdworker« ausweiten. Auch kürzere Fristen bei der Ankündigung von Mehrarbeit und weniger Einschränkungen an Sonn- und Feiertagen wären dem BDA willkommen. Zudem tritt der Verband für eine leichtere Vergabe von Werkverträgen ein.

Wie reagieren die Gewerkschaften?

Mit schroffer Ablehnung des »Papiers mit neoliberaler Färbung«, wie der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) den Vorstoß bewertet. Den Abbau von Schutzrechten der Arbeitnehmer wollen die Gewerkschaften nicht hinnehmen, sondern diese vielmehr in die digitale Arbeitswelt fortschreiben. Darüber hinaus verlangen sie eine bessere Berücksichtigung privater Interessen der Beschäftigten, die tariflich abgesicherte Freiräume für Bildung, Familie oder Ehrenamt erhalten sollten. Der Arbeitgeber muss das kostbare Gut Zeit teilen - mit Familie, Partnern, Freunden, Nachbarn, aber auch mit Ehrenamt, Politik, Vereinen und Kultur.

Wie geht es nun weiter?

Die IG Metall beispielsweise hat angekündigt, die Arbeitszeit weiterhin zum Gegenstand von Tarifverhandlungen zu machen. Auch mobile Arbeitszeit muss erfasst und vergütet werden. Unterdessen ließ Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) wissen, dass Änderungen am Gesetz aktuell nicht geplant seien. Erst Ende 2016 soll es ein »Weißbuch« zu diesem Thema geben, in dem Fakten und Einschätzungen sämtlicher Beteiligter gesammelt sind. Auf dieser Grundlage wolle man über mögliche Änderungen im Arbeitszeitgesetz nachdenken. dpa/nd

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