Ein prekärer Garten

In Eckernförde können Frauen kostenlos eine Parzelle bestellen - vorerst

  • Harald Lachmann
  • Lesedauer: 3 Min.
Vor allem im Norden der Republik sieht sich die weibliche Bevölkerung in teils prekären Lebenslagen verhaftet. Abhilfe schaffen sollen auch ungewöhnliche Projekte wie ein Frauengarten in Eckernförde.

Armut ist nicht ausschließlich, doch zu einem großen Teil weiblich. Laut Bundesstatistiken fallen etwa 44 Prozent der Alleinerziehenden - und das sind in aller Regel Frauen - unter die Armutsgrenze. Doch selbst wenn die Kinder aus dem Haus sind, erholt sich jede fünfte, sechste Mutter nicht von dieser sozialen Notlage. Denn 17 Prozent aller Frauen hierzulande gelten gerade auch im Alter als »hoch armutsgefährdet« (Männer: 12,7 Prozent). Nicht selten sind das die Spätfolgen von Unterbezahlung, fehlender Kinderbetreuung, Teilzeitarbeit, Elternzeit und dem schwierigen Wiedereinstieg in den Berufsalltag.

Das Thema Frauenarmut schaffte es im März in die Schlagzeilen des Bremer Bürgerschaftswahlkampfes. Haben doch laut Ulrike Hauffe, Frauenbeauftragte des Landes und Vorsitzende des Frauen- und Gleichstellungsausschusses beim Deutschen Städtetag, nur zwei von drei erwerbsfähigen Bremerinnen einen bezahlten Arbeitsplatz. Frauen bekämen im Schnitt ein Viertel weniger Geld für ihre Arbeit als Männer und später eine um 60 Prozent niedrigere Rente. So forderte sie von Wirtschaftssenator Martin Günthner (SPD), nur noch Unternehmen zu fördern, die auf sozialversicherungspflichtige Stellen statt Minijobs setzen. Denn auch Minijobber seien »mehrheitlich Frauen«.

Himmelschreiend ist in Bremen derzeit auch der Unterhalt von Frauenhäusern geregelt: Statt einer Finanzierung über staatliche Gelder basiert dieser auf Tagessätzen aus der Pflegeversicherung. Damit bringe eine Betroffene nur »wenn sie geschlagen wird, dem Frauenhaus Geld ein«, so Ulrike Hauffe. Bremens LINKE pocht deshalb auf eine institutionelle Förderung für Frauenhäuser. Doch auch dort, wo Landesgeld fließt, etwa in Schleswig-Holstein, reicht es offenbar nicht. So ist etwa das Frauenhaus der Kreisstadt Itzehoe weiter auf Spenden angewiesen, um dringend nötige Sanierungsarbeiten angehen zu können.

Da ist ein Projekt wie im schönen Ostseestädtchen Eckernförde schon fast eine Besonderheit. Im Mai erhielten dort zehn Frauen zwischen 40 und 60 Jahren aus und um Eckernförde die Chance, für ein Jahr gemeinsam einen Garten zur kostenlosen Eigennutzung zu bewirtschaften. Für ein Jahr wird das Projekt aus dem Etat der Gleichstellungsbeauftragten der Stadt, Katrin Christine Blum, finanziert. Vereint sollen die Frauen die Beete pflegen und die Erträge ernten. Doch zunächst galt es, die 600 Quadratmeter große Fläche wieder urbar zu machen. Denn in den drei Jahren zuvor hatte die lange unverpachtete Parzelle des Eckernförder Schrebervereins brach gelegen.

Aus zweiter Hand kamen die Gerätschaften wie Schaufeln und Harken, die nette Sponsoren zuvor schon ausrangiert hatten. Auch das blaue Häuschen am Rande, das sicher mal eine traute Laube war, ist so einsturzgefährdet, dass es nur noch als Geräteschuppen dient. Dennoch sind die Frauen, die sich hier teils ohne jegliche einschlägige Vorerfahrung mühen, nicht unzufrieden. Denn sie lernen etwas dazu, haben soziale Kontakte und vor allem: Was sie bestellen und ernten, etwa Grünkohl, Gurken und Radieschen, können sie dann sofort für die eigene Küche nutzen oder auch als Wintervorrat einkochen.

Wie es nach Jahresende weitergeht, ist allerdings noch offen. Denn zwar sei das Projekt längerfristig angelegt, so Katrin Christine Blum. Doch es wird ab 2016 nicht mehr aus Geldern des kleinen Topfes der Gleichstellungsbeauftragten finanziert. So hofft sie, bis dahin Geschlechtsgenossinnen zu finden, die den Frauengarten in Eigenregie weiterführen.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal