nd-aktuell.de / 08.09.2015 / Politik / Seite 8

Ernst der Lage nützt dem Komiker

Der politisch unetablierte Jimmy Morales liegt in Guatemala bei Präsidentschaftswahl vorn

Knut Henkel, Guatemala-Stadt
Es könnte lustig werden: Nach der ersten Runde der Präsidentenwahl in Guatemala liegt der Komiker Jimmy Morales vorne: Ausdruck des Verdrusses über die politische Elite. Am 25. Oktober kommt es zur Stichwahl.

Das Tor des »Centro Para Varones« ist weit geöffnet und die Wähler verteilen sich in dem riesigen Innenhof der Bildungseinrichtung, die im Zentrum von Guatemala Stadt genau gegenüber vom Kongress liegt. Geduldig stehen die Leute in den Schlangen und warten, bis sie sich in das Register eintragen können, danach in der Wahlkabine verschwinden und anschließend ihre Stimmzetteln in der Urne versenken können. Dann markieren die Verantwortlichen der Wahlkommission noch den Daumen der Wähler, um einen zweiten Urnengang und den Stimmenkauf zu unterbinden. Ruhig und geduldig gingen am Sonntag fast in allen Regionen des Landes die Wahlen vonstatten, obwohl vorher lange vor Straßenblockaden, der Besetzung von Wahllokalen und dem Verbrennen von Wahlurnen gewarnt wurde.

Die Wahlbeteiligung war laut den Ergebnissen des nationalen Wahlgerichts überraschend hoch angesichts der tiefen politischen Krise des Landes, die viele Analysten als Systemkrise bezeichnen. Sie lag bei 78 Prozent, wobei allerdings rund vier Prozent der Wähler ungültig wählten und weitere 4,5 Prozent leere Wahlzettel abgaben. Darunter auch der Filmemacher Sergio Ramírez, der schon länger sein Wahlrecht nicht mehr wahrnimmt, weil er der politischen Elite des Landes nicht über den Weg traut. Das geht vielen Guatemalteken so, darunter auch den jungen indigenen Ernstwählerinnen Juana Diego González und Marta Alicia Choc. Die beiden haben sich für die linke indigene Partei Winaq von Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchú entschieden, die nach Auszählung von über 94 Prozent der Stimmen abgeschlagen bei zwei Prozent der Stimmen lag.

An der Spitze lag hingegen mit Jimmy Morales ein Politikneuling, der sich mit dem Slogan »nicht korrupt und kein Dieb« viele Freunde machte. Auf 24,47 Prozent der Stimmen kommt der Komiker und Schauspieler, der über keinerlei politische Erfahrung verfügt. Er wird sich in der Stichwahl entweder mit dem Kandidaten der konservativen Partei Líder, Manuel Baldizón, messen müssen oder eventuell mit der Kandidatin der sozialdemokratischen Partei UNE, Sandra Torres (19,05 Prozent) Sie lag nicht einmal ein Prozentpunkt hinter Manuel Baldizón, dem wie vielen anderen nachgesagt wird, in seiner Wahlkampagne Gelder von den Drogenkartellen verwandt zu haben. Das gilt zwar für viele Parteien, doch gegen den Líder-Kandidaten für die Vizepräsidentschaft und gleich mehrere Kandidaten für einen Parlamentssitz wird bereits wegen Korruption ermittelt. Das ist einer der Gründe, weshalb viele Guatemalteken für eine Verschiebung der Wahlen demonstriert haben, aber dazu konnte sich das nationale Wahlgericht nicht durchringen.

Das hat die Stichwahl für den 25. Oktober angesetzt und spannend wird sein, ob die samstäglichen Proteste gegen Klientelismus, Vetternwirtschaft und Korruption bis dahin weitergehen. Jimmy Morales hat davon in jedem Fall profitiert. Er ist von ganz allein zum Saubermann des politischen Establishments Guatemalas geworden und könnte zum ersten Komiker im Präsidentenpalast werden. »20 Jahre habe ich euch zum Lachen gebracht«, rief er seinen Anhängern am Wahlabend zu. »Wenn ich Präsident werde, das verspreche ich, werde ich euch nicht zum Weinen bringen.« Zugleich versicherte er, mit der Tradition der Korruption in der Politik brechen zu wollen.