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Elektronische Anzeigen zur Zugverspätung sind Pflicht

Bahn unterliegt vor Bundesverwaltungsgericht: Telefonnummern am Bahnsteig für Nachfragen reichen nicht

  • Sven Eichstätt, Leipzig
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Deutsche Bahn muss bis September 2019 auf allen Bahnhöfen Deutschlands Verspätungen und Zugausfälle anzeigen. Das ist die Konsequenz eines Urteils des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig.

Die Deutsche Bahn betreibt rund 5500 Bahnhöfe und Haltepunkte in der Bundesrepublik. Zunehmend wurden dort Lautsprecheranlagen abgebaut, mit denen früher Verspätungen und Zugausfälle durchgesagt wurden. Übrig blieben vielfach nur Aushänge mit dem Fahrplan und einer Telefonnummer, unter der Reisende bei der Bahn anrufen können, um sich über diesen zu vergewissern.

Dem Eisenbahn-Bundesamt genügte dies nicht, weshalb die Behörde die Bahn im November 2010 dazu verpflichtete, für aktuelle Informationen über Verspätungen und Zugausfälle zu sorgen. Die Behörde sah eine EU-Richtlinie von 2007 auf ihrer Seite - die Fahrgastrechteverordnung. Hier ist in Artikel 18 für die gesamte EU festgelegt, dass aktuell über Verspätungen und Zugausfälle informiert werden muss - von der Bahn oder vom Bahnhofsbetreiber. In Deutschland ist dies das Tochterunternehmen der Deutschen Bahn, DB Station & Service. Das Unternehmen wurde vom Eisenbahn-Bundesamt verpflichtet, elektronische Anzeiger mit Laufschrift aufzustellen, Lautsprecheranlagen zu installieren oder die Reisenden über Bahnmitarbeiter zu informieren.

2010 und 2011 kam es zu Verhandlungen zwischen der Behörde und der Bahn, die dies nicht akzeptieren wollte. Trotz zwei geänderter Bescheide des Eisenbahn-Bundesamts klagte das Tochterunternehmen der Bahn gegen den letzten Bescheid von August 2011: Es wollte nicht auf allen Bahnhöfen in Deutschland die elektronischen Anzeiger aufstellen. Als Kosten je Anzeiger gibt die Bahn rund 1700 Euro an, für das Aufstellen nochmals 4000 bis 6000 Euro.

Beim Verwaltungsgericht Köln scheiterte die Bahn 2013, beim Oberverwaltungsgericht Münster 2014 auch mit der Berufung gegen die Kölner Entscheidung. Über die Revision gegen das Urteil in Münster entschied am Mittwoch in letzter Instanz das Bundesverwaltungsgericht: Es wies die Revision zurück und gab dem Eisenbahn-Bundesamt recht.

»Die Fahrgastrechte-Verordnung verlangt eine «aktive» Unterrichtung der Fahrgäste durch den Betreiber des Bahnhofs«, sagte der Vorsitzende Richter des sechsten Senats, Werner Neumann. »Er muss die Fahrgäste unaufgefordert über Verspätungen informieren, sobald ihm die Informationen vorliegen.« Es genüge nicht, wenn der Bahnhofsbetreiber die Informationen auf Nachfrage des Fahrgastes weitergibt. Vor Gericht wehrte sich die Bahn mit dem Hinweis, dass die Forderung des Eisenbahn-Bundesamts unrealistisch sei: Binnen anderthalb Jahren sollten alle Stationen mit mehr als 300 Reisenden am Tag mit elektronischen Anzeigern ausgerüstet sein; innerhalb von vier Jahren alle Haltepunkte auch mit weniger als 100 Reisenden. Zum Zeitpunkt der Verhandlung in Münster, im Mai 2014, waren noch rund 300 Haltepunkte nicht mit den Anzeigern ausgestattet. Am Mittwoch nannte die Bahn eine Zahl von noch 60 verbliebenen Stationen ohne den elektronischen Service. An diesen sei eine Installation unwirtschaftlich, weil kein Stromanschluss vorhanden sei oder der Haltepunkt im Funkloch liege. Die Installationskosten könnten dann statt 4000 bis 6000 Euro bis zu 50 000 Euro pro Anzeiger betragen.

Doch das Gericht blieb unerbittlich. Der Bundesgesetzgeber habe die Verpflichtung nicht für wenig frequentierte Haltepunkte ausgesetzt und unabhängig von den Kosten verlangt. Der Vorsitzende Richter Neumann sprach außerdem davon, dass die Bahn bei der Verhandlung in Münster nicht ausreichend habe darlegen können, dass die Ausstattung der 300 Bahnhöfe und Haltepunkte, um die es damals noch ging, mit elektronischen Anzeigern für die Bahn mit einem unzumutbaren Aufwand verbunden und die ausgesprochene Verpflichtung deshalb unverhältnismäßig wäre.

Mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts wird nun der Bescheid des Eisenbahn-Bundesamts von August 2011 rechtskräftig. Deshalb muss die Bahn bis September 2019 auch den letzten Haltepunkt in Deutschland mit einem elektronischen Anzeiger ausgerüstet haben. Sonst drohen ihr pro Haltepunkt ein Zwangsgeld von 2000 Euro oder insgesamt bis zu 500 000 Euro.

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