nd-aktuell.de / 10.09.2015 / Brandenburg / Seite 12

Willkommen in Falkensee

In Nauen bekommen Flüchtlingsfeinde Zulauf und Zustimmung, nicht jedoch in der benachbarten Stadt

Andreas Fritsche
Vorbehalte gegen Flüchtlinge gibt es mehr oder weniger überall. Doch in Falkensee (Havelland) behält die Menschlichkeit die Oberhand.

Während unbekannte Täter in Nauen eine Sporthalle in Brand stecken, in der Flüchtlinge untergebracht werden sollten, während dort Nazis gegen den Bau eines Asylheims marschieren und Einwohner der Stadt mitlaufen, bietet sich im weniger als 20 Kilometer entfernten Falkensee ein ganz anderes Bild.

Im Dezember 2013 beschloss die Stadtverordnetenversammlung einstimmig, Falkensee wolle ein Asylheim. Dieses steht inzwischen an der Kremmener Straße. Ein zweites Asylheim wird gebaut - und vermutlich mindestens auch noch ein drittes, denkt der Stadtverordnete Norbert Kunz (LINKE). Proteste wie in Nauen hat es nicht gegeben. In Falkensee leben viele Bildungsbürger. Sie sind als tolerant bekannt. Zwar beschwerten sich Anwohner über das Asylheim an der Kremmener Straße. Sie haben Kunz jedoch glaubhaft versichert, dass sie nichts gegen Flüchtlinge haben. Gestört habe sie nur die Errichtung eines Gebäudes so nah an ihrer Grundstücksgrenze - zu welchem Zweck auch immer es dienen solle. Im Garten möchte man ja gern ein wenig für sich sein. Wenn die Nachbarn quasi auf dem Schoß sitzen, fühlt man sich vielleicht doch etwas unbehaglich. Dafür hat Kunz durchaus Verständnis. Inzwischen habe sich die Aufregung gelegt, sagt er. Als die NPD einmal versuchte, vor dem Rathaus Unterschriften zu sammeln, waren schnell die demokratischen Parteien zur Stelle und bedeuteten den Neonazis, dass die NPD hier nicht erwünscht sei, erinnert sich Kunz.

Mit vielfältigen Aktivitäten engagiert sich die Bürgerinitiative »Willkommen in Falkensee«. In der Stadt vertreten ist auch »Jugend für Asyl«. Diese Gruppe setzt sich etwa dafür ein, dass Asylbewerber im Havelland menschenwürdig behandelt und allerhöchstens vorübergehend in Turnhallen untergebracht werden.

Gleich in beiden Netzwerken macht Martin Nguyen mit. Sein Vater kam einst als Vertragsarbeiter aus Vietnam in die DDR. Einmal wurde Martin rassistisch beleidigt. Der 19-Jährige schilderte das im Internet. Dort schrieb er dann aber auch: »In letzter Zeit bekomme ich sehr, sehr viel Zuspruch von vielen Menschen, die meine Aktivitäten rund um die Flüchtlingshilfe mitbekommen. Ich kann nicht in Worte fassen, wie wertvoll dieses Feedback für mich ist.«

Ein großes Problem in Falkensee ist die Wohnungsnot, die Einheimische und Flüchtlinge plagt. Die Initiative »Willkommen in Falkensee« hat bei allen Kandidaten der Bürgermeisterwahl am 27. September nachgefragt und jetzt die Antworten veröffentlicht. Alle fünf Kandidaten haben versprochen, »sich auch persönlich für die Belange von Flüchtlingen einzusetzen«, meldete Sprecherin Kathleen Kunath nach Auswertung der Antworten. Allerdings sah sich Bewerber Andreas Breinlich (AfD) nach einem schweren Zugunfall wegen seiner Behandlung in einer Reha-Klinik nicht zu einer ausführlichen Stellungnahme in der Lage. Er ließ aber wissen, dass die von der Willkommensinitiative geforderten Maßnahmen für bezahlbare Wohnungen und andere Dinge seine »vollste Unterstützung« finden.

Heiko Müller (SPD) ist seit acht Jahren Bürgermeister und möchte es bleiben. Wie er zur Willkommenskultur beitragen wolle? Wichtig sei es auch, sich um diejenigen zu kümmern, »die mit Asylsuchenden Ängste und Vorbehalte verbinden«, erklärte Müller. Der freundliche Umgang mit den Neubürgern müsse in allen Herzen Platz greifen.

Müller und Kunz, auch Ursula Nonnemacher (Grüne), sprachen sich für die Wiederbelebung des sozialen Wohnungsbaus aus. 7,50 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter seien für viele kaum noch bezahlbar, wusste Müller. Kunz äußerte die Sorge, dass Menschen mit geringem Einkommen aus Falkensee verdrängt werden. Seiner Ansicht nach müsste die Stadt bei Verhandlungen mit Investoren auf eine Deckelung der Mietpreise pochen. Für überlegenswert hält Kunz einen Beherbergungszuschuss, »um einen Anreiz zu schaffen, Flüchtlinge in privaten Wohnraum aufzunehmen«.

Die Willkommensinitiative erkundigte sich auch, wie die Parteien eine Werkstatt logistisch unterstützten könnten, die für Flüchtlinge gespendete Fahrräder repariert. Müller bedauerte, die SPD haben keinen Raum frei. Nonnemacher verwies darauf, selbst schon zwei Räder abgegeben zu haben. Kunz fragte zurück, was konkret gebraucht werde. Barbara Richstein (CDU) stellte den Erlös des CDU-Familienfestes in Aussicht.