Quälen für die WM

John Degenkolb nutzt die Vuelta als hartes Training

  • Tom Mustroph, Burgos
  • Lesedauer: 3 Min.
John Degenkolb hatte im Frühjahr große Rennen gewonnen, doch bei den Etappenfahrten bleibt er glücklos. Ein Höhepunkt soll aber noch kommen.

Kopf nach unten, die Hände fest am Lenker. Lassen sie ihn doch mal los, dann nur, um mit geballter Faust das eigene Schicksal, einen Konkurrenten oder sogar einen Mannschaftskollegen zu verfluchen - so sah bisher John Degenkolbs Vuelta a España aus. Es ist kein schöner Anblick und zugleich ein harter Kontrast zum strahlenden Frühjahr, als der bullige Thüringer bei den Frühjahrsklassikern abräumte.

Zwar fühlt sich Degenkolb auch jetzt in physisch guter Verfassung. »Die Form ist da. Ich fühle mich immer besser«, sagt er »nd« in Spanien. Aber trotzdem stimmt etwas nicht. Denn die Spanienrundfahrt ist eigentlich das Etappenrennen des jetzt in Frankfurt lebenden Radprofis. Neun Etappen hat er hier seit 2012 gewonnen. Die Vuelta war immer das Abschlussbonbon, das Rennen, um Selbstvertrauen für die nächste Saison zu tanken, wenn es zwei Monate zuvor bei der Tour de France wieder nicht mit dem Tageserfolg geklappt hatte.

Doch dieses Spiel funktioniert nicht mehr. Degenkolbs aktuell beste Platzierungen nehmen sich wie eine Variante der Tourplatzierungen aus. 3-2-2-5 lauten sie für die Vuelta nach bislang 13 Etappen, 2-4-4-4-2 hießen sie am Ende der Tour. Der Misserfolg kratzt am Gemüt, führt aber nicht zu tieferen Selbstzweifeln. Zwar ist Degenkolb im Moment der Niederlage stinksauer. Doch er findet schnell zu der Gelassenheit zurück, die ihm die Erfolge des Frühjahrs beschert hatten. »Das ist ein bisschen wie bei der Tour. Ich war einige Male nah dran. Aber man kann es nicht ändern«, sagt er nur.

Die Vuelta hatte er sich in diesem Jahr ohnehin vor allem als Trainingsparcours für die WM ausgesucht. »Die Rennkilometer hier ersparen mir das Training. Und die Berge in den Beinen werden mir in Richmond sicher helfen. Sie sind natürlich schwer und man muss sich drüberquälen. Am Ende aber wird sich das bezahlt machen«, blickt er optimistisch auf den welligen WM-Parcours in den USA voraus. Er will die Vuelta unbedingt zu Ende fahren, die Berge bis zum Letzten in die Beine bekommen. »Wir haben dann ja noch zwei Wochen Pause, da kann ich mich ausruhen.«

Für Jan Schaffrath, den Betreuer der deutschen Abordnung in Richmond, der bei der Vuelta als sportlicher Leiter des Konkurrenzteams Quick Step dabei ist, macht Degenkolb gerade alles richtig: »John hat nach der Tour eine Pause gemacht. Er war ja vom Frühjahr an in großer Form. Es ist schwer, das von März bis September zu halten. Nach der Pause braucht er jetzt Rennkilometer. Die holt er sich bei der Vuelta. Momentan fehlt es ihm noch etwas bei der Feinabstimmung. Aber er ist immer vorne mit dabei. Und den Rest kriegen wir bis zur WM hin«, ist Schaffrath überzeugt.

Ob er ihn dann als Co-Kapitän neben Sprinter André Greipel einsetzt, als alleinigen Kapitän oder nur als zweite Wahl, will Schaffrath erst in den USA entscheiden. »Wir legen das eine Woche vor dem Rennen fest. Ich kann aber jetzt schon sagen, dass in dieser Mannschaft alle füreinander fahren. Wir haben von den Strecken her zwei Jahre lang die Chance aufs Regenbogentrikot, und die wollen wir nutzen«, meint der sportliche Leiter.

Degenkolb selbst will noch seine Chance auf einen Etappensieg bei der Abschlussetappe nach Madrid nutzen. »Die kenne ich, da habe ich letztes Jahr gewonnen. Das motiviert dann auch, die ganzen Berge zu überstehen«, sagt er. Ein Sieg gäbe zusätzliches Selbstbewusstsein vor der WM. Ein Titel auf der Straße liegt für deutsche Fahrer übrigens auch schon 49 Jahre zurück.

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