ILA-Gelände als Verteilzentrum im Gespräch

In Schönefeld ankommende Flüchtlinge könnten von Selchow aus ostdeutschen Ländern zugewiesen werden

  • Tomas Morgenstern
und Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.
Um die eintreffenden Flüchtlinge besser auf die Länder verteilen zu können, drängt der Bund auf die Einrichtung sogenannter Drehkreuze. Eins davon soll im Land Brandenburg entstehen.

Der Münchner Hauptbahnhof ist in den vergangenen Tagen der schieren Not folgend zum ersten zentralen Drehkreuz für die Verteilung der zu Zehntausenden aus Südosteuropa eintreffenden Flüchtlinge geworden. Um den Druck von der Bayernmetropole zu nehmen, sollen weitere derartige Verteilzentren in verschiedenen Regionen entstehen - in Gespräch waren zuletzt Bad Fallingbostel in der Lüneburger Heide, der Güterbahnhof am Flughafen Halle-Leipzig sowie Berlin-Schönefeld.

»Es geht nicht um Schönefeld, im Gespräch ist Selchow, das ILA-Gelände«, sagte Ingo Decker, Sprecher des brandenburgischen Innenministeriums am Dienstag dem »nd«. Zwar sei noch keine derartige Entscheidung gefallen, doch das könne schnell geschehen. Es sei plausibel, dass der Bund ein Drehkreuz für Ostdeutschland fordere. Sollte aber eine Entscheidung für Selchow fallen, so sei das Land in jedem Fall auf umfassende Unterstützung durch die Bundesregierung angewiesen, und es werde auch nicht ohne die Beteiligung des Landes Berlin gehen, so Decker. Land und Kommunen seien an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit angelangt. »Wir erleben einen Flüchtlingszustrom bisher nicht gekannten Ausmaßes und reagieren inzwischen mit Notmaßnahme an Notmaßnahme.« So gehe es nicht weiter.

Der Sprecher bestätigte, dass die Bundeswehr bereitstehe, Einrichtung, Betrieb und Unterhalt eines solchen Verteilzentrums materiell und personell zu unterstützen. »Der Betrieb bleibt nach dem Stand der Dinge aber in der Hand des Landes.«

In Selchow (Dahme-Spreewald) am Rande des künftigen Hauptstadtflughafens BER wurde mit Hilfe der Messe Berlin und der Zukunftsagentur Brandenburg (ZAB) 2011 ein Messegelände mit 250 000 Quadratmetern Ausstellungsfläche errichtet. Als Berlin ExpoCenter Airport ist es vor allem als Veranstaltungsort der alle zwei Jahre stattfindenden Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung (ILA) bekannt geworden.

Die Flüchtlingsproblematik beschäftigte am Dienstag auch die Landtagsfraktionen der Parteien. Linksfraktionschef Ralf Christoffers kritisierte die zunehmende Neigung in Europa, die Grenzen wieder undurchlässiger zu machen. »Wenn in Afghanistan und Syrien die staatlichen Strukturen zusammenbrechen, dann werden sich die Menschen durch Zäune und Stacheldraht nicht aufhalten lassen«, betonte er. Die vom Bund den Ländern zur Bewältigung der Flüchtlingskrise angebotenen drei Milliarden Euro sind aus Christoffers Sicht »keine strukturelle Entlastung«. Die Länder würden mit der Flüchtlingsfrage noch Jahre befasst sein.

Die Abgeordnete Ursula Nonnenmacher (Grüne) zeigte angesichts der derzeitigen Ausnahmesituation Verständnis für die Absenkung geltender Aufnahme- und Ausstattungsstandards. Derzeit befänden sich 3400 Menschen in den Erstaufnahmeunterkünften. In Zeiten von belegte Zelten und Turnhallen »muss man Zugeständnisse machen«.

CDU-Fraktionschef Ingo Senftleben sieht die Koalitionspartner SPD und LINKE »in entscheidenden Fragen gespalten«. So sei die SPD im Gegensatz zu LINKEN für mehr Sachleistungen und die Erweiterung des Kreises »sicherer Drittländer«.

Inzwischen wurde bekannt, dass Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) am 23. September eine Regierungserklärung abgeben wird. Anlass werde neben dem 25. Jahrestag der Neugründung des Landes Brandenburg auch die aktuelle politische Situation sein.

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