Mit Mehrheit entscheiden

Quote zur Verteilung von Flüchtlingen soll im Oktober beschlossen werden

  • Katja Herzberg
  • Lesedauer: 2 Min.

Wenn es brenzlig wird, greift der Rat der Europäischen Union gern zum Konsens. Den unter den Fachministern oder Staats- und Regierungschefs zu erzielen, ist nicht immer einfach, doch noch nie war Einstimmigkeit in dem Gremium so schwer zu erreichen wie in der aktuellen Frage der Verteilung von ein paar zehntausend Flüchtlingen in der EU. Die schwere Wirtschaftskrise, ein möglicher Grexit und Zusammenbruch des Euro - wenn es ums Geld ging, haben sich die EU-Länder bis jetzt immer auf ein gemeinsames Vorgehen einigen können. Nun, da es an die grundlegende Frage nach Gewährung von Asyl geht, versagt die Wertegemeinschaft jedoch.

Zumindest bislang. Das im Laufe der EU-Vertragsgeschichte eingeführte Instrument der »qualifizierten Mehrheit« könnte zur Lösung führen. Bei der nächsten Sitzung der EU-Innen- und -Justizminister schon könnte die Mehrheit der EU-Länder den von der Kommission vorgeschlagenen Verteilungsschlüssel durchsetzen und den Weg bereiten, immerhin 120 000 weitere Flüchtlinge aus Ungarn, Griechenland und Italien in der EU umzuverteilen. Die im Frühjahr von Brüssel geforderte Umsiedlung von 40 000 Menschen aus Griechenland und Italien gilt nach dem Treffen von Montag als sicher - aber nur auf freiwilliger Basis.

Gegen feste Quoten, die sich nach der Einwohnerzahl, Wirtschaftskraft, Arbeitslosenquote und der Zahl der bereits aufgenommenen Flüchtlinge berechnen sollen, besteht jedoch weiter Widerstand, vor allem aus dem EU-Osten. Die Kommission schlug deshalb schon vergangene Woche vor, ihren Notfallmechanismus per ordentlichem EU-Gesetzgebungsverfahren einzuführen. Daran müssten der Rat und das Europäische Parlament beteiligt sein. Das Parlament hat am Dienstag die Staaten erneut zum Handeln aufgerufen. Es hat schon der Umsiedlung der 40 000 Geflüchteten zugestimmt. Im Rat könnte sich ebenso die Mehrheit durchsetzen - so sie will.

Dafür müssen nach dem Vertrag von Lissabon 55 Prozent der Länder mit Ja stimmen (in der Praxis sind das 16 der 28 EU-Staaten). Gleichzeitig müssen diese Länder zusammen mindestens 65 Prozent der Bevölkerung der EU ausmachen. Zu dieser »doppelten Mehrheit« gibt es auch eine Sperrminorität. Um die zu erreichen, müssen sich mindestens vier Ratsmitglieder zusammentun, die zusammen mehr als 35 Prozent der EU-Bevölkerung vertreten. Es ist jedoch auch möglich, noch nach dem alten Verfahren der qualifizierten Mehrheit aus dem Vertrag von Nizza zu entscheiden. Dann muss eine Mehrheit der Mitgliedsstaaten einen Vorschlag unterstützen, die gleichzeitig mindestens 262 der insgesamt 352 auf alle Staaten verteilten Stimmen erreicht. Nach beiden Verfahren dürften die Mehrheitsanforderungen derzeit keine Hürde sein.

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