SYRIZA hofft auf eine zweite Chance

Kurz vor der Parlamentswahl mischen sich in Griechenland Resignation, Zufriedenheit und »eine Aura der Zuversicht«

  • Anke Stefan, Athen
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Wahlhelfer haben alles gegeben, um die Menschen in Griechenland von ihren Parteien zu überzeugen. Doch viele zeigen sich kurz vor dem zweiten Urnengang in diesem Jahr niedergeschlagen.

Dimitris ist euphorisch. Im Januar seien die Leute noch zu ihnen gekommen, um ihnen ins Gesicht zu schleudern, dass man sie ganz bestimmt nicht wählen würde, erzählt der Wahlhelfer der Nea Dimokratia (ND) am Stand seiner Partei auf dem Syntagma-Platz im Herzen Athens. »Diesmal kommen sie, um sich über unsere Positionen zu informieren.« Es herrsche sogar eine »Aura der Zuversicht«, dass die Konservativen am Sonntag wieder die Leitung der Staatsgeschäfte übernehmen könnten. Mit geschätzt Mitte 30 ist der stämmige Dimitris so ziemlich der Jüngste derer, die an diesem Vormittag im geräumigen Zelt der Mannschaft von Spitzenkandidat Evangelos Meimarakis versammelt sind.

Das ist am wenige hundert Meter entfernten Stand von SYRIZA anders. Hier belegt die Parteijugend viele Plätze im großen, vorwiegend in Rot gehaltenen Zelt. Einzige Ausnahme ist ein Obdachloser, der seinen Kaffee trinkt. Viele, die hier vorbeikommen, stehen der Partei zwar nahe, sind aber nunmehr kritisch, gibt SYRIZA-Wahlhelfer Giannis zu. Einerseits verstünden die Leute, welchen Schwierigkeiten »die erste Linksregierung« in ihren sieben Monaten Amtszeit ausgesetzt gewesen ist. Andererseits aber seien sie mit dem Erreichten nicht zufrieden. Der junge Mann ist dennoch zuversichtlich, dass die meisten seiner Partei »eine zweite Chance geben werden«.

Nachfragen im Bekanntenkreis scheinen dies nicht zu bestätigen. Fotis, Tierarzt in einem Mittelstandsviertel im Nordwesten Athens, wird zwar wieder für Alexis Tsipras stimmen. »Ich habe keine andere Wahl«, meint er mehr resigniert als optimistisch. »Die Rechten« kommen für den Mittfünfziger nicht in Frage, aber Vertrauen in Lösungen außerhalb des Euro, wie sie von der SYRIZA-Abspaltung Laiki Enotita (»Volkseinheit«, LAE) oder der Kommunistischen Partei (KKE) angeboten werden, hat er nicht. »Griechenland produziert doch fast nichts, allein sind wir aufgeschmissen.«

Bei Eleni und Nikos sieht das anders aus. Beide sind von so ziemlich allen Parteien enttäuscht und entschlossen, »diesmal gar nicht erst hinzugehen«. Eleni hatte SYRIZA gewählt, weil sie sich eine Abkehr von der harten Austeritätspolitik versprochen hatte. Stattdessen gilt nun etwa eine Mehrwertsteuer auf privaten Nachhilfeunterricht von 23 Prozent. »Ich weiß beim besten Willen nicht, wie ich meinen Jungs dieses Jahr die Nachhilfe finanzieren kann.« Nikos dagegen hatte für To Potami votiert, »um eine kleine Partei ohne Berufspolitiker zu stärken«. Die hätten aber auch nichts Neues gebracht, meint er nun.

In den Straßen von Athen dominieren die Plakate der Linken, in bunten Farben und ohne die Gesichter der Spitzenkandidaten. »Wir gewinnen die Zukunft«, lautet der Wahlspruch von SYRIZA, bei den Übrigen wird zumeist auf das »Oxi«, die Ablehnung der Gläubigerforderungen beim Referendum im Juli, Bezug genommen. Die neoliberalen Konkurrenten ND, PASOK und To Potami haben nur spärlich plakatiert. In einigen Straßenzügen erblickt man das Konterfei von Vasilis Leventis. Seiner »Zentrumsunion« werden diesmal Chancen auf den Einzug ins Parlament prognostiziert. Insbesondere für die junge Generation spielt der reichlich antiquiert wirkende Leventis die Rolle des - unfreiwilligen - Komikers: Mit der Stimme für die Zentrumsunion soll der gesamte Politbetrieb auf die Schippe genommen werden.

Satire - aber gewollte - spielt auch in den Wahlkampfspots eine Rolle. Panos Kammenos, Ex-Verteidigungsminister und Vorsitzender des SYRIZA-Koalitionspartners ANEL, bietet sich zum Beispiel an, »dem kleinen Alexis«, der sich den linken Arm gebrochen hat, das Schreiben »genauso gut auch mit dem rechten beizubringen«. Und der Vorsitzende der LAE, Panagiotis Lafazanis, lässt sich im Taxi zur Notendruckerei fahren.

Nur wenige Stunden vor dem Urnengang überwiegt bei vielen Wählern jedoch der Pessimismus, diesmal nicht viel zum Ergebnis beitragen zu können. Denn unabhängig davon, ob am Sonntag Tsipras oder Meimarakis gewinnt, das nächste Regierungsprogramm steht bereits fest: Umsetzung der im Volksmund »Memorandum III« genannten Vereinbarung mit den Gläubigern.

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