Seltsame Justizposse in Thüringen

LINKE-Abgeordnete wartet auf Aussagegenehmigung

  • Sebastian Haak, Erfurt
  • Lesedauer: 3 Min.

Anders als geplant, ist im Prozess wegen Volksverhetzung gegen die Sügida-Anmelderin Yvonne W. vor dem Amtsgericht Suhl am vergangenen Freitag kein Urteil gefallen. Der Prozess war kurz nach seiner Eröffnung unterbrochen verschoben worden. Grund ist nach Angaben des Gerichts, dass für eine der wichtigsten Zeugen des Prozesses keine Aussagegenehmigung des Landtages vorlag: die LINKE-Abgeordnete des Thüringer Landtages Katharina König. Nach Auffassung des Vorsitzenden Richters ist eine solche Genehmigung aber nötig. Sügida war die erste Variante des Thüringer Pegida-Ablegers Thügida.

Die Staatsanwaltschaft Meiningen wirft W. vor, im Internet gegen Ausländer und Linke gehetzt zu haben. Sie habe sich so der Volksverhetzung schuldig gemacht, argumentieren die Strafverfolger. Die Verteidiger W.s bestreiten das. W. hatte die ersten Sügida-Demonstrationen angemeldet, die Anfang 2015 in Suhl stattfanden. König hatte W. wegen deren Äußerungen im Netz angezeigt und das Verfahren so ins Rollen gebracht.

Ein Sprecher des Thüringer Landtages sagte, es sei auch nach Auffassung der Juristen der Landtagsverwaltung richtig, dass Landtagsabgeordnete »grundsätzlich eine Sondergenehmigung des Landtages« brauchten, wenn sie zum Beispiel in einem Strafverfahren nicht am Sitz des Landtages - also in Erfurt - aussagen sollten. »Landtag« meine in diesem Fall: Plenum, nicht Landtagsverwaltung oder Landtagspräsident. Die Abgeordneten des Parlaments müssten also darüber abstimmen, ob König in dem Verfahren vor dem Amtsgericht Suhl aussagen darf. Rechtsgrundlage dieser Bestimmung sei der Paragraf 50 der Strafprozessordnung.

Wie genau eine solche Abstimmung im Parlament über eine Aussagegenehmigung für König aussehen und mit welchem Ergebnis sie zu Ende gehen müsse, um der Linkspolitikerin diese Genehmigung zu erteilen, das sei aber derzeit noch unklar und werde erst noch geprüft, sagte der Sprecher. »Wir hatten so einen Fall noch nicht.«

Wie das angesichts der inzwischen 25-jährigen Geschichte des Parlaments - in der Abgeordnete gewiss schon außerhalb Erfurts bei Staatsanwaltschaften oder Gerichten Aussagen gemacht haben - sein kann, wollte der Sprecher nicht kommentieren. Bis zum Gerichtstermin am vergangenen Freitag jedenfalls habe der Landtag eine solche Genehmigung nicht erteilen können, hieß es. Die Bitte des Gerichts, die Genehmigung zu erteilen, sei erst einen Tag vor Prozessbeginn beim Parlament eingegangen.

König bekräftigte nach der Unterbrechung des Prozesses indes ihre Bereitschaft, vor dem Amtsgericht Angaben zu machen. »Ich will aussagen«, sagte sie. Für die Haltung des Vorsitzenden Richters, auf einer Aussagegenehmigung zu bestehen, zeigte sie Verständnis, »auch wenn ich diese Regelung logisch nicht nachvollziehen kann«. Immerhin sei der Abgeordnete doch in der Ausübung seines Mandats frei. Es sei allerdings besser, jeden Zweifel an der Rechtmäßigkeit ihrer Aussage auszuräumen als das Verfahren gegen W. zu gefährden, sagte König.

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