VW im Sack-und-Asche-Modus

Konzern entschuldigt sich für Abgas-Manipulationen in den USA / Aufsichtsrat fordert personelle Konsequenzen

  • Eva Glauber
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Abgas-Skandal hat VW so ins Schlingern gebracht, dass Vorstandchef Martin Winterkorn vom Fahrersitz geschleudert werden könnte.

Die Formulierung in der VW-Medienmitteilung klingt sarkastisch: »Volkswagen duldet keinerlei Gesetzesverstöße.« Wenige Zeilen davor gibt der Wolfsburger Konzern zu, dass bei Dieselmotoren von weltweit rund elf Millionen Fahrzeugen »eine auffällige Abweichung zwischen Prüfstandswerten und realem Fahrbetrieb« festgestellt worden sei. Die beanstandete Software beeinflusse »weder Fahrverhalten, Verbrauch noch Emissionen« - als ob es die bewusste Täuschung von Behörden und Kunden gar nicht gegeben hätte.

6,5 Milliarden Euro legt der Konzern für Strafen und Schadensbewältigung beiseite. Börsenanalytiker bezweifeln aber, dass dies ausreicht. Rund um den Globus werden Untersuchungen angekündigt. Frankreichs Finanzminister Michel Sapin forderte im Radiosender »Europe 1« eine Untersuchung auf EU- Ebene, in die auch die französischen Autohersteller eingebunden sein sollten.

Richtig teuer werden könnte die Affäre in den USA, wo neben Strafen auch Sammelklagen düpierter Kunden anstehen. Fast eine halbe Million Fahrzeuge mit der Täuschungssoftware sind allein hier verkauft worden. Aus der lange geplanten Vorstellung des neuen Passat in New York wurde eine Sack- und-Asche-Veranstaltung: »Wir haben Mist gebaut«, entschuldigte sich Amerika-Chef Michael Horn. In Deutschland erklärte Vorstandschef Martin Winterkorn in einer Videobotschaft: »Es tut mir unendlich leid, dass wir dieses Vertrauen enttäuscht haben. Ich entschuldige mich in aller Form bei unseren Kunden, bei den Behörden und der gesamten Öffentlichkeit für das Fehlverhalten.«

Die exportabhängige deutsche Wirtschaft muss sich angesichts der Rolle der Automobilindustrie und ihres Aushängeschilds Volkswagen um ihre Reputation sorgen. Wirtschaftsforscher befürchten, nicht nur das Image könnte leiden, sondern auch Arbeitsplätze bei Autobauern und ihren Zulieferern könnten gefährdet sein. Hinzu kommt, dass eine andere prominente Firma, der weltgrößte Autozulieferer Bosch, die Technik zur Abgasnachbehandlung geliefert hatte. »Die Verantwortung für Applikation und Integration der Komponenten« hat laut den Schwaben aber bei VW gelegen. Einen kleinen Vorgeschmack auf den Erdrutsch, der bevorstehen könnte, lieferte wie immer die Börse: Der Wert des VW-Konzerns sank in nur zwei Tagen um 27 Milliarden Euro.

Dass die Bombe in den Vereinigten Staaten platzte, ist vielleicht kein Zufall. VW-Vorstandschef Martin Winterkorn hatte von seinem einstigen Mentor Ferdinand Piëch nicht nur den schwer dirigierbaren Mammut-Konzern mit seinen zwölf Marken übernommen, sondern auch das Ziel, Toyota als größten Autobauer der Welt zu überflügeln. Gerade auf dem global bedeutendsten Automarkt in Nordamerika hakte es jedoch, und entsprechend Druck wird Winterkorn gemacht haben. Jetzt steht seine Zukunft in den Sternen. Ohne Winterkorn zu nennen, hat Aufsichtsratsmitglied Olaf Lies bereits gefordert, es müsse »am Ende auch personelle Konsequenzen geben«. Er vertritt als SPD-Wirtschaftsminister sein Bundesland als Miteigentümer im Kontrollgremium.

Dieses will sich am Freitag mit den Vorwürfen befassen. Bislang wollte der Aufsichtsrat auf seiner Sitzung über einen von Winterkorn geplanten Konzernumbau diskutieren und die vorzeitige Verlängerung dessen Vertrags beschließen. Doch Winterkorns Karten haben sich in den letzten Tagen massiv verschlechtert. Der einzige, der sich die Hände reiben dürfte, ist Ex-Patriarch Piëch: Er verlor im Juni einen Machtkampf mit Winterkorn und warf als Aufsichtsratschef die Brocken hin.

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