Dämmstoffhersteller gehen getrennte Wege

Verband löst sich zum 1. Oktober auf / Bundesbauministerium bedauert künftig fehlenden Ansprechpartner

  • Nick Reimer
  • Lesedauer: 3 Min.
Organisch oder anorganisch, das war die Frage. Da die Hersteller unterschiedlicher Gebäudedämmstoffe nicht mehr an einem Strang ziehen, blieb nur die Trennung.

Paukenschlag in der Bauwirtschaft: Nach internen Querelen löst sich der Gesamtverband Dämmstoffindustrie GDI auf. »Es stimmt: Ich bin ab 1. Oktober mit der Liquidation beauftragt«, erklärte GDI-Geschäftsführerin Marianne Tritz gegenüber »neues deutschland«. 94 Prozent aller in Deutschland verbauten Dämmstoffe wurden bislang von im Verband organisierten Firmen hergestellt, seit 1977 agierte er als Ansprechpartner für die Politik. Damit ist jetzt völlig überraschend Schluss.

»Es gibt seit geraumer Zeit Reibungen zwischen den Herstellern organischer und anorganischer Dämmstoffe«, räumt GDI-Noch-Präsident Klaus Franz ein. Man könnte die Konfliktlinie auch zwischen »brennbaren« und »nicht brennbaren« Stoffen ziehen: Nach Medienberichten über brennende Häuserfassaden hatten die Hersteller anorganischer - also »nicht brennbarer« Dämmstoffe - ein schlechteres Image für ihre Produkte gefürchtet und waren aus dem GDI ausgetreten. Mineralwolldämmstoffe dominierten den Markt mit einem Anteil von über 50 Prozent.

Der »Fachverband Mineralwolleindustrie« hatte dem GDI vorgeworfen, »in der aktuellen Konfiguration« nicht in der Lage zu sein, angemessen auf die Vorwürfe brennender Fassaden reagiert zu haben - und erklärte seinen Austritt. Zwar waren nicht die Baustoffe, sondern Verarbeitungsfehler die Ursache der Brände. Die verbliebenen Hersteller organischer Dämmstoffe aus Hartschaum oder Polystyrol hatten daraufhin Sorge, als »Häuserabfackler« durch den Verband stigmatisiert zu werden.

Wohngebäude sind für 40 Prozent des deutschen Energieverbrauchs und ein Drittel des Treibhausgasausstoßes verantwortlich. Zwei von drei Gebäuden sind energetisch sanierungsbedürftig, weil sie vor der Einführung der Wärmeschutzverordnung im Jahr 1977 errichtet wurden. Bund und Länder hatten deshalb ein Programm zur Energiesparförderung bei Gebäuden eigentlich schon beschlossen. Danach sollten Hausbesitzer 10 bis 25 Prozent ihrer Kosten rückwirkend ab Januar 2015 von der Steuer absetzen können. Allerdings fehlte den Fachpolitikern die Unterstützung aus der Industrie, im Februar wurde die geplante Steuererleichterung durch den Bundesrat gestoppt. Eine Sprecherin des Bundesbauministeriums sagte zu den aktuellen Entwicklungen: »Wir bedauern die Auflösung, da nunmehr eine größere Anzahl kleinerer Verbände der Dämmstoffindustrie, die baustoffbezogen arbeiten, die Nachfolge des einen großen Verbandes antreten müssen.«

»Die Branche hat erklärt, dass sie an einer Neuausrichtung arbeitet«, sagte Tritz, die zwischen 2002 und 2005 Bundestagsabgeordnete der Grünen war. Franz, der seit 2010 GDI-Präsident ist und als Manager des Rockwool-Konzernz zum »organischen Teil« der Dämmstoffindustrie gehört, erklärte, dass es besser sei, »wenn zwei neue Dachverbände die unterschiedlichen Interessen der Wirtschaft vertreten«. Das allerdings ist kaum zu erwarten. Bereits der bisherige Verband wurde nämlich eher stiefmütterlich behandelt: Obwohl die Branche 30 Millionen Kubikmeter Dämmstoffe im Jahr 2013 umsetzte, stattete sie den GDI in Berlin nur mit zwei Planstellen aus - Geschäftsführerin Tritz und eine Referentin. Zum Jahresende verlieren nun beide ihren Job. Trotzdem hatte der Verband offenbar gute Arbeit geleistet: Die Tageszeitung »Welt« sagte der Dämmstoffindustrie gerade eine »mächtige Lobby« und eine »gigantische PR-Maschine« nach.

Franz hatte sich nach den internen Verbandsquerelen übrigens gar nicht wieder zur Wahl gestellt. Stattdessen tritt er an diesem Wochenende für die CDU im Rennen um das Amt des Oberbürgermeisters in Bochum an.

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