Landeskunde wird Geschichte sein

Letzter Lehrstuhl für märkische Historie an der Universität Potsdam soll im Herbst 2016 wegfallen

Wenn Professor Peter-Michael Hahn in Rente geht, entfällt der letzte Lehrstuhl für brandenburgisch-preußische Landesgeschichte. Ein Versuch der CDU, dies zu verhindern, fiel im Landtag durch.

Peter-Michael Hahn ist Professor für Landesgeschichte mit Schwerpunkt Brandenburg-Preußen. Bereits seit 1992 hat er diese Funktion an der Universität Potsdam. Doch wenn er im Herbst 2016 in den Ruhestand tritt, soll der Lehrstuhl wegfallen.

Der Landtagsabgeordnete Michael Schierack (CDU), selbst Professor, allerdings Mediziner, nicht Historiker, möchte dies gern verhindern. Es gäbe ja dann in Berlin und Brandenburg keinen einzigen derartigen Lehrstuhl mehr, warnt er. Die rot-rote Landesregierung solle den Lehrstuhl bewahren, indem sie der Universität zusätzliche Mittel zweckgebunden zur Verfügung stellt, beantragte Schierack. Der Landtag lehnte dies am Donnerstagnachmittag aber mehrheitlich ab. Dass Kenntnisse über die Vergangenheit die Menschen nicht klüger machen, habe man ja am Donnerstagmorgen sehen können, bedauerte die SPD-Abgeordnete Britta Müller. Da hatte die AfD mit flüchtlingsfeindlichen Parolen vor dem Landtag demonstriert. Trotzdem sei die Befassung mit Geschichte notwendig, findet Müller. Aber werde es eine solche Befassung mit der Geschichte nach dem Wegfall von Hahns Professur nicht mehr geben? Müller glaubt dies nicht. Der Etat der Universität Potsdam sei um zehn Millionen Euro aufgestockt worden, betonte sie. Um die Verteilung der Mittel werde innerhalb der Universität gerungen. Es sei nicht Angelegenheit der Politik, sich da einzumischen.

Die Abgeordnete Marie Luise von Halem (Grüne) bestätigte, es wäre schön, den Lehrstuhl zu haben. Doch wenn nicht? »Keiner wird sagen, wir hätten ein Defizit in der Landesgeschichte.« Von Halem erinnerte, dass ungefähr seit der Jahrtausendwende feststehe, dass dieser Lehrstuhl wegfallen soll. Warum die CDU erst jetzt reagiere, wollte sie wissen. Wissenschaftsministerin Sabine Kunst (SPD) präzisierte, die Entscheidung sei 2001 gefallen, als es darum ging, die Zahl der Professuren zu reduzieren. Inzwischen sei das Historische Institut voll ausgestattet. Die Landeskunde werde nicht in die Besenkammer geschoben, versicherte Kunst. Sie weiß Bescheid, da sie Präsidentin der Universität Potsdam war, bevor sie Ministerin wurde.

Isabelle Vandré (LINKE) zitierte genüsslich aus Erklärungen der CDU im Zusammenhang mit der umstrittenen Fusion der Technischen Universität Cottbus mit der Senftenberger Fachhochschule Lausitz. Da war es die CDU gewesen, die auf die Autonomie der Hochschulen pochte und auf die Freiheit der Lehre. Über Professuren zu entscheiden, sei Sache der Universität, begründete Vandré die Ablehnung von Schieracks Antrag.

Schierack beteuerte noch, mitnichten wolle er in die Autonomie der Hochschulen eingreifen. Er werbe doch einfach nur für den gefährdeten Lehrstuhl. Doch das nützte dem Politiker nichts. Nur der Abgeordnete Andreas Kalbitz (AfD) sagte der CDU in dieser Sache die Unterstützung seiner Fraktion zu. Das reichte nicht.

Professor Hahn stammt aus Mönchengladbach. Er studierte Geschichte und Volkswirtschaftslehre in Düsseldorf und Westberlin, war wissenschaftlicher Assistent des Landeskundlers Gerd Heinrich an der Pädagogischen Hochschule in Westberlin.

Der 2012 verstorbene Hochschullehrer Heinrich galt als streitbarer Querkopf, der geschichtsblinde, bindungslose Bevölkerung für verachtungswürdig gehalten und 1970 wie auch später gewiss nicht auf Seiten der Achtundsechziger gestanden habe. So jedenfalls wird Heinrich in dem Nachschlagewerk »Lebensbilder brandenburgischer Archivare und Historiker« beschrieben. Heinrichs einstiger Assistent Hahn verfasste mehrere Bücher über Brandenburg, Potsdam und König Friedrich II., darunter etwa »Friedrich der Große und die deutsche Nation. Geschichte als politisches Argument« (2007).

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