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Erinnerung an den Urknall

Vor 50 Jahren entdeckten Arno Penzias und Robert Wilson die kosmische Hintergrundstrahlung

  • Martin Koch
  • Lesedauer: 5 Min.

Die längste Zeit der Geschichte waren Astronomen bei der Erforschung des Kosmos auf das sichtbare Licht beschränkt. Bis zum frühen 17. Jahrhundert führten sie ihre Beobachtungen mit bloßem Auge durch. Danach wurden die ersten optischen Instrumente entwickelt. 1610 präsentierte Galileo Galilei das Linsenfernrohr, rund 60 Jahre später baute Isaac Newton ein Spiegelteleskop. Mit beiden Instrumenten entdeckten Astronomen in der Folge zahlreiche kosmische Objekte und Erscheinungen, die geeignet waren, das teilweise noch mittelalterlich geprägte Bild des Himmels von Grund auf zu erneuern.

Eine weitere Möglichkeit zur Beobachtung kosmischer Objekte eröffnete sich in den 1930er Jahren. Weil es in der neuen Fernsprechverbindung über den Atlantik so stark knisterte, wurde der Physiker Karl Jansky von den Bell Laboratories in Holmdel (US-Bundesstaat New Jersey) beauftragt, die Ursachen dafür zu finden. Er benutzte hierzu eine große, empfindliche Radioantenne, die sich auf einem Gestell dreimal in der Stunde um die eigene Achse drehte. Mit diesem Gerät empfing Jansky als erster Mensch Radiowellen aus dem Zentrum der Galaxis. Doch kaum jemand interessierte sich für diese Entdeckung oder wollte gar Geld in die radioastronomische Forschung investieren.

1950 starb Jansky im Alter von 44 Jahren. Danach dauerte es noch einmal rund zehn Jahre, ehe sich die von ihm begründete Radioastronomie als wahrhaft revolutionäre Disziplin der Himmelsforschung erwies. Und erneut waren es die Bell Laboratories (Bell Labs), die hier eine Vorreiterrolle spielten. Dort arbeitete seit 1961 der Physiker Arno Penzias, der einst mit einem Kindertransport aus Nazi-Deutschland nach England gekommen war. Nachdem seine Eltern ebenfalls geflohen waren, emigrierte die Familie nach New York, wo Penzias an der Columbia University ein Physikstudium absolvierte. Nach seiner Promotion bei dem späteren Nobelpreisträger Charles Townes wechselte er an die Bell Labs, wo seine Aufgabe unter anderem darin bestand, den Himmel mit einem Radioteleskop nach möglichen Radioquellen abzusuchen. Unterstützt wurde er dabei von Robert Wilson, einem promovierten Physiker, der vom California Institute of Technology (Caltech) nach Holmdel gekommen war.

Beim Test ihres Radioteleskops stießen Penzias und Wilson auf ein merkwürdiges Rauschen, das aus allen Richtungen kam und sich zeitlich nicht veränderte. Sie vermuteten daher, dass es sich hierbei nicht um ein Rauschen aus der Umgebung, sondern um das Eigenrauschen der Anlage handelte. Sorgfältig prüften sie jedes Element ihres Teleskops. Sie suchten nach Wackelkontakten, schadhaften Kabeln und defekten Lötstellen. Sogar ein Taubenpaar, das in der Radioschüssel nistete, erregte ihre Aufmerksamkeit. Vielleicht war das »weiße, dielektrische Material«, das die Tauben dort hinterließen, der Grund für die Störungen? Aber auch als man die Vögel entfernt hatte, rauschte es weiter.

Ende 1964 nahm Penzias an einer Astronomietagung in Montreal teil, wo er das Problem gegenüber einem Kollegen kurz erwähnte. Und nun tat der Zufall sein Werk. Denn wenige Monate später erhielt Penzias von jenem Kollegen den Vorabdruck eines Artikels, in dem die Physiker Robert Dicke und James Peebles von der Princeton University behaupteten: Wenn das Universum tatsächlich aus einem Urknall hervorgegangen war, müsste sich als Nachklang desselben eine überall existierende kosmische Strahlung nachweisen lassen. Nun dämmerte es auch den Forschern in Holmdel: Ihr mysteriöses Rauschen war jene kosmische Hintergrundstrahlung, deren Existenz die US-Physiker George Gamow, Ralph Alpher und Robert Herman schon 1948 vorausgesagt hatten. Doch damals nahm dies niemand zur Kenntnis.

Penzias und Wilson veröffentlichten ihre Messergebnisse 1965 im »Astrophysical Journal«. Was ihre Daten physikalisch zu bedeuten hatten, erklärten in derselben Ausgabe Dicke und Peebles: Als etwa 300 000 Jahre nach dem Urknall die Temperatur auf 3000 Kelvin gesunken war, wurden die zuvor frei herumfliegenden Elektronen von Protonen und Alphateilchen eingefangen. Es entstanden neutrale Wasserstoff- und Heliumatome, zwischen denen sich die zahllosen Photonen des kosmischen Lichtmeeres ungehindert bewegen konnten. Das Licht breitete sich nun überall aus, das Universum wurde durchsichtig.

Anfangs hatte das kosmische Licht eine Wellenlänge von ca. einem tausendstel Millimeter. Doch durch die Ausdehnung des Universums nahm die Wellenlänge der Strahlung zu, so dass sie heute im Mikrowellenbereich liegt, in dem sie von Penzias und Wilson entdeckt wurde. Dafür erhielten beide 1978 den Physiknobelpreis.

Zwar gilt der Nachweis der kosmischen Hintergrundstrahlung (wegen ihrer Temperatur auch Drei-Kelvin-Strahlung genannt) heute als entscheidender Beleg für die Urknalltheorie. Dennoch hatten die ersten Messungen ein schwerwiegendes Problem aufgeworfen: Die Strahlung kam völlig gleichmäßig aus allen Richtungen auf der Erde an. Und genau das sollte sie eigentlich nicht tun. Denn die spätere Entstehung von Galaxien ließ sich nur erklären, wenn im frühen Universum winzige Dichtschwankungen vorhanden waren, die wiederum einen Abdruck in der kosmischen Hintergrundstrahlung hätten hinterlassen müssen.

Die Suche nach diesem Abdruck brachte viele Physiker an den Rand der Verzweiflung. Denn sowohl bei Messungen am Boden als auch bei solchen in Flugzeugen fand man keinen Hinweis auf irgendwelche Schwankungen. Am 18. November 1989 wurde deshalb der Satellit COBE (Cosmic Background Explorer) mit einer Delta-Rakete in eine knapp 900 Kilometer hohe Umlaufbahn befördert. Auch diesmal gab es zunächst eine Enttäuschung: Die Auswertung der Daten eines halben Jahres offenbarte in der Strahlung nicht die Spur einer Schwankung. Erst eine weitere Erhöhung der Messgenauigkeit führte 1991 zum Erfolg: Die Spitzenwellenlänge der Hintergrundstrahlung schwankte um 0,001 Prozent, je nachdem, in welche Richtung COBE »blickte«.

Mit Hilfe der Raumsonde WMAP (Wilkinson Microwave Anisotropy Probe) sowie des Planck-Weltraumteleskops konnte zwischen 2001 und 2013 die Stärke der Strahlungsschwankungen in Abhängigkeit von ihrer Winkelausdehnung am Himmel mit hoher Präzision bestimmt werden. Die Ergebnisse beider Missionen stellen eine hervorragende Bestätigung der Voraussagen der Urknalltheorie dar. Die meisten Astrophysiker sind deshalb überzeugt, dass der Urknall zu jenen Ereignissen in der Geschichte des Universums gehört, die auch in Zukunft Eingang in jede kosmologische Theorie finden werden.

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