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Tariflöhne in Ost und West nahezu angeglichen

Große Unterschiede für nichttarifliche Beschäftigte / Weniger Urlaub und längere Arbeitszeit im Osten

  • Jörg Meyer, Leipzig
  • Lesedauer: 2 Min.
Zwischen Ost und West besteht ein Lohnunterschied von durchschnittlich 17 Prozent. Die Bindungskraft von Tarifverträgen im Osten ist niedriger als im Westen.

Die Tariflöhne sind im Jahr 25 nach der Wiedervereinigung nahezu angeglichen - aber auch nur die. Das teilte die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung am Donnerstag in Düsseldorf mit. Danach lagen die Löhne und Gehälter im Osten bei durchschnittlich 97 Prozent des Westniveaus. Im öffentlichen Dienst, bei Banken und Versicherungen, in der Eisen- und Stahlindustrie und in der Druckindustrie ist die Angleichung sogar erreicht. Weit hinten im tariflichen Lohnniveau ist hingegen beispielsweise die Landwirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern mit 74 Prozent.

In nicht tarifgebundenen Ostbetrieben sei das Niveau der Angleichung an den Tarif deutlich niedriger, heißt es weiter. Insgesamt verdienen die Beschäftigten in Ostdeutschland noch immer 17 Prozent weniger als im Westen - und diese Angleichung stagniere seit Jahren.

Ein Grund dafür ist die deutlich geringere Tarifbindung im Osten. In Ostdeutschland fehle überdies »die im Westen über Jahrzehnte gewachsene Tarifkultur«, sagt Reinhard Bispinck, Tarifexperte des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung.

Die große Kluft zwischen höheren tariflichen und niedrigeren effektiven Standards von Löhnen, Gehältern und Arbeitszeiten untergrabe die Verbindlichkeit der Tarifnormen. Tarifverträge hätten so mittlerweile weniger »Bindekraft«, stattdessen mehr eine »Orientierungsfunktion«, so Bispinck. Die weitere Angleichung erfordere »zwingend eine Revitalisierung des Tarifvertrages und des gesamten Tarifsystems«. Die Erleichterung der Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen - also Gültigkeit für eine ganze Branche - und der gesetzliche Mindestlohn seien erste Schritte in diese Richtung.

Tarifbindung und Mitgliederzahl bedingen sich: Wo es keinen Tarifvertrag gibt, ist es schwerer, Beschäftigte zu werben. Und mitgliederschwache Gewerkschaften können keine Tarifverträge durchsetzen. »Ein Grund für die sinkende Tarifbindung ist auch das Schrumpfen der Arbeitgeberverbände. Immer mehr Unternehmen fliehen damit aus dem Tarif«, sagt Ruprecht Hammerschmidt, Sprecher der IG Bauen-Agrar-Umwelt. Auch ver.di sieht die Probleme. Die Gewerkschaft wolle sich in kommenden Tarifrunden um Sonderzahlungen wie Weihnachts- und Urlaubsgeld kümmern, sagte ver.di-Chef Frank Bsirske am Rande des ver.di-Bundeskongresses gegenüber »nd«.

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