nd-aktuell.de / 28.09.2015 / Brandenburg / Seite 12

Für immer auf der Datsche

Grundstücksnutzer wollen Wohnrecht - dadurch sollen Quartiere für Flüchtlinge frei werden

Andreas Fritsche
Heidesees Bürgermeister und der Grundstücksnutzerverband wünschen die Legalisierung des Wohnens auf Wochenendgrundstücken. Das helfe auch bei der Flüchtlingsunterbringung, behaupten sie.

»Unsere Gemeinde will ihren Teil zur Aufnahme von Flüchtlingen leisten, aber leer stehenden Wohnraum können wir nicht bieten«, bedauert der Bürgermeister von Heidesee, Siegbert Nimtz (parteilos). Die Gemeinde könne die Nachfrage nach Wohnungen und Grundstücken so schon nicht befriedigen. Zu Heidesee gehören Bindow, Blossin, Dannenreich, Dolgenbrodt, Friedersdorf, Gräbendorf, Gussow, Kolberg, Prieros, Streganz und Wolzig. Diese elf Dörfer mit zusammen knapp 7000 Einwohnern sind im Landesentwicklungsplan Berlin-Brandenburg auf sogenannte Eigenentwicklung festgelegt. Die Flächen für die Wohnbebauung dürfen um nicht mehr als 3500 Quadratmeter im Jahr wachsen, erläutert Nimtz. Das entspreche nur einem Grundstück in jedem zweiten Ortsteil, rechnet er vor - in einem offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Die soll ihm helfen.

Der Bürgermeister ist nämlich auf eine Idee gekommen, wie in der Hauptstadt Wohnungen für Flüchtlinge frei werden könnten. Allein in Heidesee gebe es etwa 2700 Wochenendgrundstücke. Die Mehrzahl der Datschen sei ohne Weiteres zum Wohnen geeignet. Viele Berliner, die sich dort erholen, würden gern dauerhaft bleiben und ihre Stadtquartiere dann aufgeben. Doch sie dürfen ihre Datschen nicht als Hauptwohnsitz anmelden.

Nimtz beteuert, er plädiere keineswegs für eine hemmungslose Zersiedelung, da zwei Drittel von Heidesee in einem Naturpark liegen. Aber wenn zehn Prozent des 220 Hektar umfassenden Datschenlandes umgewidmet werden, dann »werden in kurzer Zeit 270 Wohnungen für 600 Menschen frei«, überschlägt der Bürgermeister. Er habe es aufgegeben, die laufenden Ordnungswidrigkeitsverfahren zu zählen, schreibt er der Kanzlerin. Fast wöchentlich suchen Betroffene bei ihm Hilfe, weil der Landkreis Dahme-Spreewald gehalten sei, die gesetzlichen Vorschriften durchzusetzen.

Nimtz bittet Angela Merkel um Verständnis, »wenn in unseren Dörfern keine Begrüßungskultur zu erwarten ist, wenn das seit Jahrzehnten begehrte Wohnrecht für die hier heimischen Menschen weiter strikt verweigert wird«. Er fügt hinzu: »Mit aus der Not geborenen baulichen Ausnahmeregelungen für die dringende Schaffung von erforderlichem Wohnraum für Flüchtlinge verprellen wir unsere Bürger, was nicht zuletzt zu den Hasstiraden führt, die nicht nur auf Facebook zu verzeichnen sind, und im schlimmsten Fall zu Bränden in den geplanten Asylunterkünften führt.«

Diese Bemerkung lässt zusammenzucken. Denn im Ortsteil Dolgenbrodt hat bereits einmal ein Asylheim gebrannt. Am 1. November 1992 - einen Tag, bevor dort 86 Asylbewerber einziehen sollten. Dorfbewohner hatten den Brandstifter für die Tat bezahlt.

Aber wäre es die Idee des Bürgermeisters wert, über eine Lockerung der Restriktionen nachzudenken? Angesichts des Flüchtlingsstroms sei in der Tat Flexibilität gefragt, findet der Verband Deutscher Grundstücksnutzer (VDGN). »Anstatt alles dafür zu tun, das Wohnen in dafür geeigneten Wochenendhausgebieten zu legalisieren, bedrängen die Brandenburger Behörden die Menschen mit allerlei Repressalien bis hin zu Abrissverfügungen«, schimpft VDGN-Präsident Peter Ohm. »Das Wohnen auf der Datsche könnte helfen, insbesondere den Berliner Wohnungsmarkt zu entlasten«, argumentiert er.

Das brandenburgische Infrastrukturministerium glaubt indes nicht, dass eine großzügige Erlaubnis für die Datschenbesitzer automatisch dazu führen würde, dass Wohnungen frei werden. So mancher würde sein Stadtquartier vielleicht dennoch behalten. »Es wird mit dem Landesentwicklungsplan einer Zersiedelung vorgebeugt«, erläutert Ministeriumssprecher Steffen Streu. Er zählt Probleme von Kleingartenanlagen und Datschensiedlungen auf: Löschfahrzeuge der Feuerwehr, die Müllabfuhr und Krankenwagen kommen beispielsweise nicht durch die engen Wege. Frostempfindliche Wasserleitungen müssen im Winter abgestellt werden. Bei einer Umwandlung in Wohngebiete müssten die Kommunen über kurz oder lang für Straßenausbau, ganzjährige Wasserversorgung und Einkaufsmöglichkeiten sorgen, sagt Streu. Der Landesentwicklungsplan solle sie vor diesem kostspieligen Unterfangen schützen.

Was die Flüchtlingsunterbringung betrifft, verweist Streu auf einen kürzlich von Infrastrukturministerin Kathrin Schneider (für SPD) vorgelegten Maßnahmekatalog, der eine ganze Reihe von besseren Möglichkeiten eröffne, Wohnraum zu schaffen. Kernstück ist die Umleitung von Fördermitteln in Höhe von 17,5 Millionen Euro für die Sanierung leer stehender Wohnungen in Brandenburg. Ursprünglich sollte das Geld für den Abriss fließen.