Kommunikationsguerilla gegen Konzerne

Tagung: Lobbyismus auch in Bürgerinitiativen verbreitet

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.
In Berlin tauschten sich am Wochenende Aktivisten und Interessierte darüber aus, wie Unternehmen Einfluss auf zivilgesellschaftliche Initiativen nehmen.

»Sie sind an Technik interessiert, finden den Fortschritt gut, wollen sachlich informiert sein, glauben an Wohlstand für alle und sind der Meinung, dass Umwelt und Technik sich nicht ausschließen - dann sind Sie hier richtig!« So stellt sich die Initiative mit dem schlichten Namen »Bürger für Technik« im Internet vor. Unter der Rubrik Leserbriefe finden sich fast durchweg Beiträge, die sich vehement gegen den »Energiewendeirrsinn« aussprechen. Der Gründer und langjährige Vorstandschef der Initiative ist Ludwig Lindner, bis 2004 Sprecher der Fachgruppe »Nutzen der Kerntechnik« der Kerntechnischen Gesellschaft. Auch der jetzige Sprecher der Fachgruppe engagiert sich bei den »technikfreundlichen Bürgern«. Für den Verein Lobby Control handelt es sich deshalb um eine konzerngesteuerte Initiative, mit der die Wirtschaft ihre Positionen in der Zivilgesellschaft verbreitet.

Schließlich genössen Bürgerinitiativen und Graswurzelbewegungen in weiten Teilen der Bevölkerung große Akzeptanz: »Als nicht von Profitinteressen geleitete Organisationen genießen sie Vertrauen, sind im besten Fall erfolgreich«, erklärt die Sprecherin der Umweltorganisation Robin Wood, Ute Bertrand. Zusammen mit weiteren Umweltverbänden und der Linken Medienakademie organisierte Robin Wood die Tagung »Wenn Konzerne den Protest managen«, die am Samstag in der Berliner Humboldt-Universität stattfand. Viele der über 100 Teilnehmer sind in Umweltgruppen und Nichtregierungsorganisationen aktiv. »Ich bin hierher gekommen, um mir Wissen anzueignen, das ich bei meiner alltäglichen Arbeit in der Umweltbewegung nutzen kann«, meinte eine Mitarbeiterin von Klimaretter.de. Ein Aktivist warnte davor, Mitglieder konzernbeeinflusster Initiativen lediglich als Marionetten der Industrie zu betrachten: »Wenn Mitarbeiter von Kohle- oder Atomkraftwerken dort aktiv sind, drücken sie auch ihre Meinung aus und dagegen müssen wir unsere Argumente vorbringen«, meinte er.

Viele Tagungsteilnehmer wehrten sich gegen den Eindruck einer allmächtigen Industrie. Ein Aktivist des Arbeitskreises Umwelt Wiesbaden sieht die Gründung von Initiativen, mit denen die Wirtschaft ihre Positionen in die Öffentlichkeit bringen will, als Zeichen einer Defensivstrategie: »Damit reagiert sie auf den zunehmenden öffentlichen Druck, der auch durch unsere Arbeit gewachsen ist«.

Besonders großen Anklag fand ein Workshop des Berliner Peng-Kollektivs, auf dem die selbst ernannte Kommunikationsguerilla ihre Projekte gegen große Konzerne vorstellte. So endete ein von der Firma Shell gesponserter Science Slam, auf dem junge Wissenschaftler umweltfreundliche Produkte vorstellen sollten, im Chaos. Bei der Vorführung explodierte scheinbar der Motor und verspritzte literweise Öl. Mit dem Spruch »hier können Sie den Stecker ziehen, in der Arktis nicht«, outeten sich die vermeintlichen Wissenschaftler als Umweltaktivisten. Die Aktion sorgte wie viele weitere des Kollektivs für Medienöffentlichkeit. Allerdings machten die Aktivisten auch klar, dass dafür jedes Mal aufwendige Vorarbeiten notwendig gewesen seien. Die Tagungsteilnehmer waren mehrheitlich begeistert: »Hier wird nicht darüber geklagt, wie schlimm die Konzerne sind. Hier drehen wir den Spieß um und stellen sie in der Öffentlichkeit bloß.«

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