Föhrer kämpfen für Geburtsstation

Nordfriesische Inseln sollen weiteren Kreißsaal verlieren

  • Dieter Hanisch, Husum
  • Lesedauer: 3 Min.

Erst seit Kurzem ist es bekannt: Die Geburtsstation auf der Nordseeinsel Föhr (Schleswig-Holstein) soll zum 30. November schließen. Bei den Bewohnern von Föhr und der Nachbarinsel Amrum stößt diese Entscheidung auf breites Unverständnis, fast kein Tag vergeht ohne Proteste. Bereits Anfang 2014 wurde auf Sylt die Geburtsklinik geschlossen.

Nach dem Willen des Geschäftsführers des in Husum ansässigen Betreiber-Klinikums Nordfriesland, Frank Pietrowski, sollen Schwangere ab Dezember nur in Einrichtungen auf dem Festland entbinden - in Husum, Niebüll oder Flensburg mit zuvor finanzierter 14-tägiger Boarding-Möglichkeit. Letzteres bedeutet, dass die werdende Mutter einige Tage vor Termin etwa nach Husum gebracht und in der dortigen Klinik aufgenommen wird.

Laut Pietrowski bestehe bei insgesamt zu wenigen Geburten im Kreißsaal von Wyk auf Föhr ein höheres ärztliches Risiko mit entsprechend höheren Haftungsfolgen. Außerdem fehle eine kinderärztliche Station und es gebe es bei plötzlich auftretenden Komplikationen keine adäquate Versorgung mit Blutkonserven.

Das waren die Hauptargumente, die Pietrowski in der Vorwoche bei einer Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses des Amtes Föhr-Amrum im Wyker Rathaus vortrug. Er berief sich dabei auf ein seit einem Jahr vorliegendes Gutachten. Im Sitzungssaal hatten sich 100 aufgebrachte Inselbewohner diesen Auftritt angehört, draußen auf dem Rathausplatz waren 1000 Demonstranten erschienen. Sie alle kämpfen für Erhaltung der Geburtsstation und wissen dabei Gynäkologen, Hebammen und Beschäftigte aus dem betroffenen Insel-Krankenhaus auf ihrer Seite.

Der Protest reicht über Parteigrenzen hinweg, zur Großdemonstration hatten Geschäftsleute aus Solidarität ihre Läden geschlossen, Handwerker früher Feierabend gemacht, Sportgruppen und Kindergarten den regulären Betrieb ausfallen lassen. Der Krankenhaus-Förderverein hatte vor fünf Jahren erst eine sechsstellige Summe in die Geburtsstation investiert, wurde nun aber auch vor vollendete Tatsachen gestellt.

Eine Online-Petition gegen die Schließung der Station auf der Insel Föhr weist binnen zwei Wochen schon mehr als 4100 Unterstützerunterschriften auf. Auch vor das nordfriesische Kreishaus in Husum zog bereits eine Protest-Abordnung. Kirsten Rickmers, erfahrene Hebamme auf Föhr, kann das vom Klinikum Nordfriesland ins Feld geführte Gefahrenszenario für Schwangere nicht nachvollziehen. In ihrer Erinnerung gab es vor über 20 Jahren ein einziges Mal Probleme im Wyker Kreißsaal. Bei vorher ausgemachten Risiken würden Schwangere auch jetzt bereits rechtzeitig eine Festland-Klinik aufsuchen, so Rickmers. Wie ihre berufliche Zukunft nun aussehen wird, steht in den Sternen.

Viele der 7000 Bewohner von Föhr und Amrum sehen in dem Aus der Geburtshilfe einen Schritt zur Schließung des gesamten Krankenhauses. Somit wird jetzt auch auf den Stationen der Chirurgie und Inneren Medizin mit Sorge auf die unternehmerischen Entscheidungen des Klinikums Nordfriesland geschaut. Auch sind diverse Reha-Kliniken auf Föhr auf die gesundheitliche Akutversorgung durch das Krankenhaus angewiesen. Dessen Schließung würde also noch ganz andere Konsequenzen nach sich ziehen und Gesundheitstouristen fern halten.

Pietrowski musste sich im Wyker Rathaus auch vorhalten lassen, dass er mit der Schließungsmitteilung keinen Notfallplan präsentieren konnte.

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