Mann der Mitte

Nun ist also auch der Liberale Malcolm Turnbull ein Putschist, er löste Premier Tony Abbott nach einer parteiinternen Abstimmung ab. Das ist in Australien nicht unbedingt ehrenrührig. 2010 stürzte Julia Gillard den Premier, ihren Genossen Kevin Rudd von der Labour Party. Drei Jahre später war es Rudd, der seine Rivalin mit einer erzwungenen Vertrauensabstimmung aus dem Amt schubste.

24 Monate nach dem letzten Urnengang und in Sichtweite des nächsten 2016 soll Malcolm Turnbull seit nun den Wind zugunsten der bürgerlichen »Coalition« aus Liberal und National Party drehen. Vorgänger Abbott reiht sich ein in die Schar derer, die nicht einmal eine Legislaturperiode vollendeten.

Turnbull gehört zu jenen in der Partei, die das Attribut liberal noch verdienen. 1993 bis 2000 stand er an der Spitze der republikanischen Bewegung, die aber damals mit dem Vorstoß scheiterte, Queen Elisabeth als Staatsoberhaupt gegen einen Präsidenten einzutauschen. Ginge es nach dem heutigen Premier, der seinen Wahlkreis im weltoffenen Sydney hat, wo seine Frau - mit eigener Politkarriere - zeitweise Oberbürgermeisterin war, könnte auch die gleichgeschlechtliche Ehe eingeführt werden. Als Abbott, der trotz einer bekennenden lesbischen Schwester gegen die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften ist, ein freies Votum der konservativen Fraktion darüber verhinderte, war Turnbull einer der wenigen, die sich für Gewissensfreiheit aussprachen.

Der 60-Jährige war Rechtsanwalt und Investmentbanker, hat auch im Mediengeschäft Australiens eine Rolle gespielt und ist einer der reichsten Spitzenpolitiker - insofern kein Mann des Volkes. Aber er ist beliebt, hat Ausstrahlungskraft über den engen Kreis der eigenen Partei hinaus.

Der Mann, der 2008-2009 zu Oppositionszeiten bereits einmal Parteichef war, soll die Liberal Party nun wieder mehr in die Mitte rücken. Gleichwohl muss Turnbull zugleich den rechtskonservativen Flügel bei Laune halten. In der Frage Homo-Ehe ist er schon zurückgerudert.