nd-aktuell.de / 17.12.2001 / Wirtschaft und Umwelt
Hiddensee soll nicht geteilt werden
Nach heftiger Debatte wird ab nächstem Jahr an bedrohtem Abschnitt Sand aufgespült
Wolfgang Rex, Schwerin
Die Insel Hiddensee ist heute, was sie schon zu DDR-Zeiten war: eine begehrtes Stück Erde. In diesem Jahr geriet Hiddensee wegen des Küstenschutzes und der später drohenden Gefahr eines erneutes Zerbrechens des fragilen Eilandes in die Schlagzeilen.
Das Land überlegte, ob es sich den aufwändigen Erhalt der Insel auch an den Stellen weiter leisten sollte, an denen gar keine Menschen leben oder andere Werte bedroht sind. Die Insel soll nicht zerbrechen, verkündete Wolfgang Methling (PDS), Umweltminister in Mecklenburg-Vorpommern, nun in der vergangenen Woche. Ab dem kommendem Jahr werde dazu südlich der Ortschaft Neuendorf auf Hiddensee Sand aufgespült sowie Strandhafer gepflanzt.
Bis zum Entscheid der Schweriner Regierung in der vorigen Woche hatte es eine heftige Debatte um den Schutz Hiddensees gegeben. Das Land ist gesetzlich lediglich verpflichtet, bebaute Gebiete am Meer vor Sturmfluten zu schützen. Diese Verpflichtung wurde nach Angaben des Umweltministeriums auf der Insel bis 1999 eingelöst. Der Hiddenseer Abschnitt zwischen Neuendorf und dem Gellen gehört aber nicht zu den bebauten. Einwohner und auswärtige Liebhaber der Insel wiesen darauf hin, dass durch Abspülung von Sand die Insel bei einer Sturmflut an dieser Stelle auseinanderbrechen könnte. Hiddensee erneut in zwei Teilen - das wollten sich die Bewohner der Insel lieber nicht vorstellen.
Das Schweriner Umweltministerium bestellte bei der Technischen Universität in Dresden ein Gutachten, um zu klären, ob es andere Gründe - beispielsweise den Schutz der hinter Hiddensee liegenden Insel Rügen - geben könnte, um an dem erwähnten Inselabschnitt weiter Küstenschutz zu betreiben. Das Gutachten bestätigte den Minister, der bedrohte Dünenabschnitt habe keine Schutzfunktion für bebaute Gebiete auf Hiddensee. Auch seien bei einem Meeresdurchbruch weder die hinter Hiddensee liegenden bebauten Gegenden von Rügen noch die kleine Halbinsel Ummanz bedroht.
Die Dresdener Wissenschaftler bestätigten aber auch die Furcht der Insulaner. Ohne Gegenmaßnahmen sei eine Abtrennung des südlichen Teils von Hiddensee nicht auszuschließen. Dem Gutachten folgte eine dreimonatige Anhörung von Vertretungen und Verbänden, ob die Schutzmaßnahmen für den Küstenabschnitt eingestellt werden sollten. Laut Minister Methling befürworteten fünf Teilnehmer den freien Lauf der Natur, vier trugen Bedenken gegen Eingriffe vor und acht forderten, den Küstenabschnitt künstlich zu befestigen.
Die Befürworter der naturnahen Lösung dachten nicht nur an die Kosten einer künstlichen Lösung. Der südliche Teil Hiddensees, der Gellen, gehört zum Nationalpark »Vorpommersche Boddenlandschaft«. Der Sand wird vor Hiddensee per Meeresströmung von Nord nach Süd gespült. Der Süden der Insel, also der Gellen, wächst. Naturschützer würden auch eine Teilung der Insel in Kauf nehmen, wenn sich so der Nationalpark ohne menschliche Eingriffe entwickeln kann. Dagegen wiesen nicht nur die Inselbewohner auf Folgen für den Tourismus und die Schifffahrt hin, wenn die Insel geteilt wird. Gerade Hiddensee-Liebhaber schätzen die langen Spaziergänge an unberührten Stränden.
Das Schweriner Umweltministerium forderte wegen der geteilten Stimmungslage bei der Technischen Universität Darmstadt ein zweites Gutachten an. Die Darmstädter bestätigten die Dresdener Ergebnisse. Ohne künstliche Aufspülung wäre eine Bruch der Insel möglich. Der würde sich nicht mehr auf natürliche Weise schließen. Die Breite des Durchbruchs gaben die Darmstädter mit 200 Metern an. Nach Auswertung aller Gutachten und der öffentlichen Anhörung kam das Umweltministeriums nun zu der der Auffassung, dass auch künftig Küstenschutzaktivitäten im südlichen Teil der Insel Hiddensee - von der nördlichen Grenze der Kernzone des Nationalparks bis zum Beginn der Landessturmflutschutzdüne 200 Meter südlich des Deiches Neuendorf (siehe Karte) - durchgeführt werden sollten - in Form eines »freiwilligen Küstenschutzes«. Der bedrohte Abschnitt wird mit Sandfangzäunen und Strandhafer gefestigt. Das Schifffahrtsamt Stralsund spült zudem vorerst für fünf Jahre Sand an, der aus der Schifffahrtsrinne ausgebaggert wird. Den Sand bekommt das Umweltministerium verbilligt. Statt der üblichen zehn bis 15 Mark pro Kubikmeter soll er nur 2,50 bis drei Mark kosten. Das wären etwa 150000 Mark pro Jahr. Nach den Frühjahrsstürmen im kommenden Jahr könnte das Aufspülen beginnen. Die Qualität des Spülmaterials wird mit feinstem weißem Badestrandsand beschrieben.
Dass trotz aller Vorsorge bei unerwartet schweren Stürmen die Insel zerbricht, kann auch der Umweltminister nicht ausschließen. Das Meer schaffte in der bekannten Geschichte Hiddensees bisher vier Mal den Durchbruch.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/9863.hiddensee-soll-nicht-geteilt-werden.html