nd-aktuell.de / 06.10.2015 / Politik

Seehofer droht Bund mit «Notwehr» gegen Flüchtlinge

Kanzleramtschef Altmaier soll Asylkoordinator werden / lehnt Forderungen nach Begrenzung der Zahl von Flüchtlingen ab: Warnung vor Alarmismus / SPD-Ministerpräsident Woidke: Merkel soll handeln

Update 19.00 Uhr: Kanzleramtschef Altmaier soll Flüchtlingskoordinator werden
Das Bundeskabinett will am Mittwoch (09.00 Uhr) Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) zum Gesamtkoordinator zur Bewältigung des Flüchtlingsandrangs bestimmen. Das geht aus einer Vorlage hervor, die der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vorlag. Weiteres Thema der Sitzung unter Leitung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) soll der Vorrang teurerer Erdkabel statt Überlandleitungen beim umstrittenen Bau der großen Stromautobahnen von Nord- nach Süddeutschland sein. Zudem steht die Verlängerung der Polizeieinsätze in Mali, Südsudan, Somalia und Haiti auf der Tagesordnung.

Update 14.00 Uhr: De Maizière plant keine neue Prognose zu Flüchtlingszahl
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) plant keine neue Vorhersage zur Zahl der ankommenden Flüchtlinge in Deutschland. Jede neue Prognose «würde von Schleppern als Einladung interpretiert, und dazu möchte ich keinen Beitrag leisten», sagte der Minister am Dienstag in Berlin. Zu Wochenbeginn hatten Spekulationen über bis zu 1,5 Millionen Asylbewerbern in diesem Jahr für Wirbel gesorgt. Die offizielle Prognose von de Maizière lautet bislang, dass im Gesamtjahr etwa 800 000 Asylbewerber nach Deutschland kommen.

Kritik aus der CDU: SPD versucht, CSU rechts zu überholen

Berlin. In der Debatte über den Umgang mit Flüchtlingen ist es nun immer öfter die CDU, die von der SPD eine Mäßigung im Ton verlangt. Unionsfraktionschef Volker Kauder wies in der «Neuen Osnabrücker Zeitung» Forderungen des Koalitionspartners nach Zuzugsschranken für Flüchtlinge zurück. Es sei «nicht überzeugend, die CSU zu kritisieren und sie dann rechts überholen zu wollen», so Kauder mit Blick auf Äußerungen etwa von SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann. Der hatte von Kanzlerin Angela Merkel gefordert, öffentlich eine Obergrenze bei einer Million Flüchtlingen zu ziehen.

Auch Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke äußerte sich nun ähnlich. Merkel müsse «Wege aufzeigen, um die hohen Flüchtlingszahlen zu verringern», sagte er der «Rheinischen Post». Das Asylrecht kenne zwar keine Obergrenzen. «Bei der Belastbarkeit der Länder und Kommunen gibt es aber faktische Grenzen und denen nähern wir uns rasant», so Woidke. Ähnlich hatte sich auch die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer erklärt, die zwar gegen eine Obergrenze für Flüchtlinge ist, aber weniger Flüchtlinge aufnehmen will: «Es ist vollkommen klar: »Der Zustrom kann so nicht bleiben.«

Kauder mahnte nun zu Gelassenheit: »Davon, dass wir uns gegenseitig immer nur vorhalten, wie schlimm alles ist, wird es nicht besser.« Dinge intern zu diskutieren, sie dann ordentlich vorzubereiten und schließlich umzusetzen, sei viel besser. »Alarmismus wäre mit Sicherheit der falsche Weg«, betonte der Unionsfraktionschef. So hatte sich auch Bundestagspräsident Norbert Lammert zu Wort gemeldet. CDU-Generalsekretär Peter Tauber lehnt einen Kurswechsel in der Flüchtlingspolitik ebenso ab. Der »Saarbrücker Zeitung« sagte er mit Blick auf immer neue Anti-Asyl-Äußerungen unter anderem aus Bayern, »der Kurs lautet: Fluchtursachen beseitigen, EU-Außengrenzen sichern, Hilfe nur für die, die wirklich verfolgt sind«. Er glaube nicht, »dass die CSU diesen Kurs ändern will, und die SPD ist klug beraten, auf dieser Linie zu bleiben«.

Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig erwartet derweil, dass den in Deutschland eingetroffenen Flüchtlingen zahlreiche Angehörige folgen werden. »Wir rechnen damit, dass sehr viele Frauen und Kinder nachkommen«, sagte die SPD-Politikerin den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Schwesig forderte, bei allen Maßnahmen zum Schutz, zur Versorgung und zur Integration müssten Frauen und Kinder Vorrang haben. Es sei zudem »unabdingbar, dass das Thema der Gleichberechtigung von Frauen und Männern ein Schwerpunkt ist in den Integrationskursen«.

Zu Wochenbeginn hatten von der »Bild«-Zeitung in die Welt gesetzte Spekulationen über bis zu 1,5 Millionen Asylbewerber in diesem Jahr für Schlagzeilen gesorgt. Politiker von Union und SPD verschärften daraufhin Warnungen vor einer angeblichen Überforderung Deutschlands. Grünen-Chef Cem Özdemir warnte vor Spekulationen mit immer höheren Flüchtlingszahlen in Deutschland.

Der stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Jan Korte, nannte es »nur noch traurig«, dass inzwischen auch »führende Vertreter der SPD auf CSU machen«. Es sei »schon bizarr«, dass nun bereits die Linkspartei »die Bundeskanzlerin vor ihren eigenen Koalitionären verteidigen muss. Angela Merkel hat einmal symbolisch große Mitmenschlichkeit in einer ansonsten verrohten Flüchtlingsdebatte gezeigt. Das passt nun nach Seehofer auch der SPD nicht mehr«, kritisierte Korte und warnte davor, dass »einziger Profiteur dieses Geredes« die Rechtspartei AfD sei. Agenturen/nd